Thomas ErndlCDU/CSU - 3. Jahrestag der Evakuierungsmission in Afghanistan
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über zwei Jahren klären wir im parlamentarischen Untersuchungsausschuss nun die Vorgänge, die Lagebilderstellung, die Verantwortlichkeiten, die Entscheidungsfindungen und viele weitere Aspekte der Schlussphase unseres Afghanistan-Einsatzes auf. 93 000 Soldatinnen und Soldaten haben für unser Land in Afghanistan Dienst geleistet, teilweise mehrfach. 59 von ihnen sind gefallen, sind nicht mehr zu ihren Familien zurückgekehrt – im Dienst für Frieden und Freiheit. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Allen, die an diesem Einsatz beteiligt waren, den Soldatinnen und Soldaten, den zivilen Angestellten, aber auch allen Familien sind wir zu großem Dank verpflichtet.
Was bleibt nach 20 Jahren Afghanistan? Hätte die Schlussphase nicht besser laufen müssen? Die Soldatinnen und Soldaten, die zivilen Helfer und auch alle Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch darauf, dass wir hier in der Politik nach Antworten suchen. Wir alle erinnern uns an die Bilder des überfüllten Flughafens Kabul im August 2021: Menschenmassen, die voller Verzweiflung und Angst vor den anrückenden Taliban versuchten, in ein rettendes Flugzeug zu kommen. Sie wollten Afghanistan so schnell wie möglich verlassen. Ein spezieller Dank gilt noch mal allen Soldatinnen und Soldaten, die bei der gefährlichen Evakuierungsmission dafür gesorgt haben, dass wir viele Menschen auch aus dem Flughafen Kabul retten konnten, dass im Chaos auch ein Stück weit Ordnung geherrscht hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Bilder haben sich eingebrannt. Mir ist noch einmal wichtig, klarzustellen, dass das Bilder der Evakuierungsmission waren und keine Bilder des Endes unserer Bundeswehrmission in Afghanistan; denn die war längst abgeschlossen. Die Bundeswehr war vorher – genauso wie Armeen anderer Nationen – kontrolliert und geordnet abgezogen.
Man muss am Schluss festhalten: Afghanistan war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit. Der Staat war noch nicht so weit, um auf eigenen Beinen zu stehen. Man kann es auch so sagen: Westliche Nationen wollten keinen weiteren Preis für ein militärisches Engagement zahlen, vor allem nicht angesichts der stärker werdenden Taliban. Die Vereinbarung von Doha zwischen den USA und den Taliban war letztendlich zu schwach und hat den Taliban nichts auferlegt, was zu einem gemeinsamen Weg mit der Regierung der afghanischen Republik geführt hätte.
Dieses Beschreiben der großen Linie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch im Berliner Regierungshandeln erhebliche Defizite gab. Zu lange haben Hoffnungen statt Realitäten als Handlungsmaxime gedient. Ein verengter Blick hat keine Planung alternativer Szenarien zugelassen. Der Bundesnachrichtendienst hat zuverlässig Lagebilder, Einschätzungen, Szenarien, auch Kipppunkte beschrieben und im Übrigen als einzige Institution einen umfassenden Lessons-learned-Prozess durchgeführt.
Hat die Regierung daraus die richtigen Schlüsse gezogen? Das ist eine der Fragen, die wir im parlamentarischen Untersuchungsausschuss bearbeiten. Wir werden Erkenntnisse, Fehler und Lehren benennen und wollen dazu beitragen, dass wir zukünftig auf solche Entwicklungen und auch auf Situationen wie die Evakuierungsmission noch besser vorbereitet sind.
Aber schon jetzt ist mit Blick auf das heutige Afghanistan klar: Es werden Fragen offenbleiben. Afghanistan wird uns weiterbeschäftigen. Wir zeigen mit der Aufarbeitung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss unsere Verantwortung, die Folgen politischer Entscheidungen ganz genau zu beleuchten. Ich danke allen, die sich an diesem Prozess konstruktiv beteiligen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Canan Bayram.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615943 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | 3. Jahrestag der Evakuierungsmission in Afghanistan |