Nadine SchönCDU/CSU - Ausbau von Telekommunikationsnetzen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Wissing, ich bin auch dafür, dass man nicht alles schlechtreden und sich über Fortschritte freuen soll. Aber wenn ich Ihre Rede höre, dann denke ich an „Wissing im Wunderland“. Was Sie hier behaupten, nämlich dass es an Ihnen liegt, dass es vorangeht, und dass dieses Gesetz ein Riesenmeilenstein ist, hat mit der Realität wirklich nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: Doch, doch! – Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Fakt ist doch: Der Ausbau, der jetzt erfolgt, erfolgt auf Basis der Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben.
(Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: Meinst du Andi Scheuer? Das ist eine steile These! Da würde ich aufpassen!)
Die Gelder, die vielen Millionen, mit denen in den letzten drei Jahren Ausbauprojekte gefördert worden sind,
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie jetzt Ihre eigenen Maßnahmen schlecht?)
stammen nämlich aus unserem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Ich würde mal sagen, es ist ein Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland!)
Wir haben die Programme aufgelegt, wir haben sie ausfinanziert. Sie schneiden jetzt die Bändchen durch und – Vorsicht! – stellen kein neues Geld zur Verfügung.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wahnsinn! – Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: Auch das ist Quatsch!)
Der privatwirtschaftliche Ausbau geht gut voran, ja. Aber er erfolgt unter der Regulatorik des letzten Telekommunikationsgesetzes. Die letzte Novelle war 2021. Das war vor Ihrer Regierungszeit. Der Ausbau im Mobilfunkbereich geht ebenfalls voran. Warum? Weil die Unternehmen die Auflagen umsetzen, die ihnen 2019 bei der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen auferlegt worden sind – 2019, also auch vor Ihrer Regierungszeit. Und Sie feiern immer wieder, auch in Ihrer Gigabitstrategie, zu Recht das Breitband-Portal und den Umstand, dass die Genehmigungsprozesse jetzt in einigen Ländern digital ablaufen. Ja, das ist das Ergebnis einer Maßnahme aus dem Onlinezugangsgesetz, die wir auf den Weg gebracht haben, die Hessen und Rheinland-Pfalz entwickelt haben, wo viele andere Länder jetzt nachrücken. Und die Finanzierung des Ganzen erfolgt aus OZG-Mitteln, die wir zur Verfügung gestellt haben, nicht zuletzt im Rahmen des Konjunkturprogramms.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn Sie also der Meinung sind, dass es gut vorangeht, dann gestehen Sie doch wenigstens ein, dass das vor allem an den Rahmenbedingungen liegt, die wir geschaffen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damit komme ich zu den Punkten, für die Sie die Verantwortung tragen. Sie haben vor über zwei Jahren eine Gigabitstrategie aufgelegt. Wenn man sich den Fortschrittsbericht auf Ihrer Homepage anschaut, dann sieht man, dass Sie seitdem ziemlich viele Studien veröffentlicht haben. Man sieht, dass die Länder, die diese Strategie teilweise umsetzen müssen, deutlich vorangekommen sind; Nordrhein-Westfalen zum Beispiel stellt Masten bis 15 Meter genehmigungsfrei. Alle haben also ihren Beitrag geleistet.
Jetzt schauen wir uns mal an, was Sie gemacht haben. Das Herzstück Ihrer Strategie ist im Prinzip das Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz, über das wir heute sprechen. Dieses scheint mir aber eher ein Mit-der-Telekommunikationsbeschleunigung-haben-wir-es-nicht-so-eilig-Gesetz zu sein; denn wir haben seit Bestehen der Strategie zwei Jahre darauf gewartet, dass Sie diesen Gesetzentwurf vorlegen. Zwei Jahre!
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Da ist von Beschleunigung und Eile ja nicht so viel zu sehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Diesen Gesetzentwurf hatten Sie dann auch immer wieder – das war besonders auffällig – auf die Tagesordnung der Kabinettssitzung gesetzt. Das war schon ein Running Gag. Jede Woche hat man geguckt: Steht das Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz auf der Tagesordnung des Kabinetts? Ja, super, es geht endlich voran. – Aber einen Tag vor der Sitzung wurde es wieder von der Tagesordnung gestrichen. Das haben Sie nicht nur einmal gemacht, sondern mehrmals.
(Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es gar nicht gemacht!)
Inzwischen hatten die meisten gar nicht mehr geglaubt, dass das Gesetz überhaupt kommt. Jetzt kommt es, und die Frage ist: Hat sich die lange Beratungszeit denn gelohnt? Ich zitiere mal zwei Player der Branche: Der VATM sagt, aus dem angekündigten Ausbau-Booster sei ein „halbgarer Kompromiss“ geworden. Der Bitkom erklärt, das Gesetz sei „unausgewogen und inkonsequent“. Beide stellen fest, die Bundesregierung habe eine wichtige Chance verpasst. Dem kann ich nichts hinzufügen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der halbgare Kompromiss zeigt sich besonders beim Herzstück Ihres Gesetzentwurfs, das Sie eben hervorgehoben haben: Dem Ausbau von Telekommunikationsnetzen wird nämlich ein überragendes öffentliches Interesse bei Genehmigungsverfahren eingeräumt. Dies sieht der Gesetzentwurf zwar vor, ja, aber mit starken Einschränkungen: Führt eine Glasfaser zum Mobilfunkmast, dann besteht ein überragendes Interesse. Führt die Glasfaser zum Haus, dann besteht das Interesse nicht. Bei den naturschutzrechtlichen Belangen ist das überragende Interesse nur gegeben, wenn es sich um ein Gebiet handelt, das nicht ausreichend versorgt ist. Und das Ganze ist auch noch zeitlich befristet.
Unterm Strich zeigt dies, dass Sie in dieser Koalition nicht in der Lage sind, mutige Gesetze zu machen, die in die Zukunft weisen. Diesem Gesetz fehlt es nicht nur an Tempo, sondern auch an Mut. Ich resümiere: Es ist ein Wir-haben-es-mit-der-Beschleunigung-nicht-so-eilig-und-mutig-sind-wir-auch-nicht-Gesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich nur daran appellieren, dass Sie das parlamentarische Verfahren nutzen, um das Gesetz besser zu machen, um es wirklich so auszugestalten, dass es zu einer Beschleunigung der Verfahren kommt. Die verlorenen Monate können Sie nicht mehr einholen, aber für mutige Lösungen ist es noch nicht zu spät.
Und an Sie, Herr Wissing, will ich appellieren, auch einmal die großen Themen der Telekommunikation mutig anzugehen. Wir haben das Thema Kupfer-/Glas-Migration. Wir haben das Problem des strategischen Überbaus. Wir haben das Problem, dass die Bahn und die Telekommunikationsunternehmen offensichtlich noch nicht gut miteinander kooperieren. Wie sonst ist es zu erklären, dass man im ICE bei jedem Tunnel aus dem Netz fällt und ständig Verbindungsabbrüche hat?
(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Nicht ständig! So ein Quatsch!)
Wir haben dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben. Sie bräuchten es einfach nur umzusetzen. Aber an diese großen Themen gehen Sie nicht heran. Sie begnügen sich damit, dass andere die Arbeit machen, und wollen mit kleinen Gutachten alles auf die nächste Regierung schieben. Das ist keine gute Telekommunikationspolitik.
Wir erwarten mehr: mehr Mut und mehr Tempo. Sie haben jetzt noch die Möglichkeit dazu. Wir sind an Ihrer Seite.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Detlef Müller.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616627 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Ausbau von Telekommunikationsnetzen |