Michael GerdesSPD - Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Wirtschaftswende
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mal wieder diskutieren wir über das Lieferkettengesetz. Und als Gewerkschafter sage ich: Gut so! Denn es ist auch ein gutes Gesetz.
(Bernd Rützel [SPD]: Jawohl!)
Offenbar müssen einige Kollegen wieder an die Zustände erinnert werden, vor denen sie gerne die Augen verschließen. Ich verstehe, dass man Buzzwords, also Schlagwörter, und Gruselgeschichten nicht mehr hören möchte; denn sie sind nur schwer zu ertragen.
(Bernd Rützel [SPD]: So ist es!)
Aber sie sind immer noch Realität, und so lange werden wir sie auch erzählen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Im Jahr 2022 war der Export von Leder, Lederwaren und Schuhen mit einem Wert von 1,24 Milliarden US-Dollar die drittgrößte Einnahmequelle für Bangladesch. Die Menschen, die diese Werte erwirtschaften, sind nach wie vor schwerwiegenden arbeits- und menschenrechtlichen Risiken ausgesetzt: Überstunden werden erzwungen, Umweltschutz wird nicht eingehalten, Löhne liegen unterhalb des Existenzminimums, Schutzkleidung fehlt, die gesundheitlichen Risiken sind immens.
Die Stadt Hazaribagh, das frühere Gerbereizentrum von Bangladesch, zählt zu den zehn giftigsten Orten der Welt. In Savar, der jetzigen Gerbereihochburg, sieht es inzwischen nicht anders aus. Bereits im Jahr 2022 musste das dortige Umweltministerium aufgrund der massiven Verschmutzung des Dhaleshwari-Flusses die Schließung von sieben Gerbereien anordnen. Oft genug sind es Kinder und Jugendliche, die dort arbeiten. Ausbeutung und Kinderarbeit gehen meistens mit Umweltverschmutzung einher. Das ist leider so! Immer noch!
Meine Damen und Herren, es muss doch unser Anliegen mit Blick auf die Zukunft sein, die Kluft zwischen maximaler Ausbeutung und unserem Leben weiter zu verringern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wie kann man da nur auf die Idee kommen, Sorgfaltspflichten in den Lieferketten aufzuheben? Das ist doch vollkommen irreal!
Bleiben wir lieber im Hier und Jetzt und betrachten die Fakten. Wie stehen die Verbraucherinnen und Verbraucher zum Lieferkettengesetz? Nach Untersuchungen der Verbraucherzentrale Bundesverband: positiv. So wünschen sich mehr als 80 Prozent der Befragten, dass Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen in den Lieferketten haften sollten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer soll denn da nicht Ja sagen?)
Die Umfrage zeigt: Viele Menschen möchten nachhaltiger konsumieren und unterstützen die Lieferkettensorgfaltspflicht.
Herr Spahn, Sie fragten gerade: „Wer soll denn da nicht Ja sagen?“ Nach dem, was ich in der Diskussion gerade so gehört habe, habe ich den Eindruck, dass Sie da eben nicht Ja sagen, sondern Nein sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst [BSW] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich bezweifle den Sinn des Instruments!)
Wie sieht es bei den Unternehmen aus? Der Kollege Außendorf hat die Zahlen genannt. Mehr und mehr Unternehmen machen gute Erfahrungen damit, dass es nun klare und einheitliche Anforderungen für alle bei den unternehmerischen Sorgfaltspflichten gibt.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Mehr und mehr Unternehmen? Vier statt drei!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, eine Aufhebung des Lieferkettengesetzes ist von gestern! Statt sich in den nächsten zwei Jahren auf die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie zu konzentrieren, bei der wir sicherlich noch Verbesserungen einbringen können und werden, führen Sie die deutsche Wirtschaft in die Vergangenheit statt in die Zukunft. Statt den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich schon jetzt in der Praxis mit Sorgfaltspflichten auseinanderzusetzen
(Jens Spahn [CDU/CSU]: In der Praxis haben die alle keine Aufträge! Die wandern ab, streichen Jobs! Das ist die Praxis!)
und mehr über ihre Lieferanten zu erfahren – denn das ist auch einer der Vorteile vom Lieferkettengesetz –, wollen Sie verhindern, dass sich die Betriebe auf das, was kommt, vorbereiten können. Statt die Möglichkeit zuzulassen, neues Wissen und Know-how gewinnen zu können, kommen Sie mit Ihren Anträgen und Gesetzesvorschlägen, die die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft behindern, statt sie voranzubringen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wann wart Ihr eigentlich das letzte Mal in einem Betrieb?)
Freiheit der Wirtschaft endet dort, wo Menschenrechte verletzt werden. Deshalb stehen wir als SPD zum Lieferkettengesetz. Und das ist anständig!
Herzlichen Dank. Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Gruppe BSW.
(Beifall beim BSW – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt wird es ernst!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617025 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Wirtschaftswende |