Gitta ConnemannCDU/CSU - Jüdisches Leben in Deutschland
„Sej a Mensch!“ – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen Satz, diese Mahnung hat uns Marcel Reif hier an dieser Stelle am Holocaust-Gedenktag geschenkt.
„Sej a Mensch!“ Damit bat die Deutsch-Israelische Gesellschaft, lieber Volker Beck, zum 7. Oktober um die Solidarität mit Israel und seinen Bürgern, zum Jahrestag des größten Massenmordes seit der Shoah. Deutschland hätte nach diesem Terrorüberfall durch die Hamas ein unbedingter Schutzraum für Jüdinnen und Juden sein müssen. Wegen unserer besonderen Verantwortung hätten wir wachsamer sein müssen als andere.
Die Wahrheit ist: Seit dem 7. Oktober 2023 wurden so viele antisemitische Straftaten registriert wie nie zuvor. Und wir erleben, dass der Judenhass in all seinen Facetten wütet. Antisemiten in Deutschland tragen Springerstiefel, oder sie hören Al Jazeera. Sie verstecken sich im Netz oder treffen sich offen in Salons oder auf Demonstrationen, schwadronieren von der „Allmacht Israels“, sind hier geboren oder zugewandert.
Judenhass zeigt sich auf unseren Straßen, an Hochschulen, er bedroht jüdische Kindergärten, Schulen, Synagogen und Restaurants. Schon vor dem 7. Oktober gab es keine Normalität für Juden in unserem Land. Aber seit dem Massaker ist der Alltag von Jüdinnen und Juden in Deutschland geprägt von Ablehnung, Gewalt und begründeter Angst.
Statt Solidarität erleben sie eine vergiftete Debatte mit absurden Zügen. Hilferufe des Zentralrats der Juden, lieber Herr Botmann, werden als Beeinflussung der Politik skandalisiert. Aus den Opfern werden Täter gemacht. Das ist einfach nur widerlich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Umso wichtiger ist dieser Antrag als klares Signal an die Betroffenen. Er hat übrigens zu lange gedauert. Die Fraktionen der Mitte haben früher gemeinsam gekämpft – für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. Dieses Miteinander im Deutschen Bundestag scheint es nicht mehr ohne Wenn und Aber zu geben.
Am Ende ist es aber gelungen: Wir bekennen uns zur IHRA-Definition, wir verurteilen die BDS-Bewegung, und wir verpflichten uns als Gesetzgeber, Lücken zu schließen. Diese Lücken gibt es auch in Kunst und Kultur. Deshalb bedaure ich zutiefst, dass die Kulturstaatsministerin Claudia Roth heute in Brasilien ist, statt an dieser tatsächlich historischen Debatte teilzunehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Denn durch die documenta 15 zog sich Antisemitismus wie ein roter Faden – bislang ohne echte Konsequenzen. Auf Plakaten wurden Juden mit Vampirzähnen und SS-Runen dargestellt. Übrigens aus Steuermitteln gefördert wie die Berlinale, Lehraufträge für Antisemiten, Unterstützer der BDS-Bewegung und, und, und. Judenhass im deutschen Kulturbetrieb: staatlich alimentiert.
(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])
Mit den Kultusministern der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden sind wir uns deshalb einig: Es darf kein Steuergeld für Judenhass geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Öffentliche Gelder dürfen nicht dazu missbraucht werden, antisemitische, rassistische, andere menschenverachtende Kunst- und Kulturprojekte zu finanzieren. Mit Zensur hat das übrigens gar nichts zu tun. Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut. Aber die Kunstfreiheit endet, wo Judenhass beginnt,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
übrigens auch Rassismus, Frauenhass oder Menschenverachtung. Und deshalb verpflichten wir uns heute mit diesem Antrag, die Förderbedingungen nachzuschärfen.
Es geht übrigens nicht um ein Verbot von Kunstwerken, sondern um klare Regeln für Haushaltsmittel und die Möglichkeit, diese zurückzufordern. Wir verbieten keine Gesinnung. Es geht nicht um die Gedanken des Künstlers, sondern um das jeweilige Kunstwerk.
Und in aller Deutlichkeit: Wer Israel delegitimiert oder verteufelt, wer jüdische Künstlerinnen und Künstler von Veranstaltungen ausschließt, wer eine Distanzierung zu Israel von ihnen verlangt, kann keine Steuergelder verlangen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb dürfen auch Vertreter der BDS-Bewegung nicht staatlich gefördert werden. Denn BDS ist nichts anderes als eine antisemitische Bewegung, die am Ende den jüdischen Staat zerstören will.
Jetzt beginnt die Arbeit. Dieser Antrag ist nämlich eine Selbstverpflichtung. Daraus muss jetzt unser Handeln als Gesetzgeber werden – auch im Sinne von Marcel Reif. Er mahnte uns an dieser Stelle auch:
„‚Nie wieder!ʼ ist mitnichten ein Appell. ‚ Nie wieder!ʼ … muss sein: gelebte, unverrückbare Wirklichkeit! … Sej a Mensch!“
Seien wir Menschen!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Dr. Nils Schmid.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617734 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Jüdisches Leben in Deutschland |