Catarina dos Santos-WintzCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Konsequenzen des amerikanischen Wahlergebnisses für Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Die europäischen Länder können nicht auf die Dauer ihre großen Kräfte zum Segen ihrer Völker und der Menschheit voll entfalten, wenn sie fortfahren, ihr Heil und ihre Sicherheit lediglich durch die Patronage der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu finden.“
Wer hat es gesagt? Konrad Adenauer, 1956. Dieses Zitat ist offensichtlich auch noch nicht ganz veraltet; denn die multipolaren Krisen in der Welt zeigen: Europa muss verteidigungspolitisch mehr Verantwortung, auch für sich selbst, übernehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Umgekehrt formulieren die US-Amerikaner diese Erwartungen ja nicht erst seit der ersten Amtsperiode von Trump, und sie haben damit auch einen Punkt. Ob mit der Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, PESCO, dem Europäischen Verteidigungsfonds oder der Bekräftigung des 2-Prozent-Ziels beim NATO-Gipfel 2014 – wir haben uns eigentlich schon längst dazu entschieden, unsere Sicherheit proaktiv zu gestalten. Doch dieses Bekenntnis muss endlich mit Leben gefüllt werden. Das gilt auch vor dem Hintergrund dessen, dass auch wir in Deutschland schon jetzt hybriden Angriffen wie Cyberattacken, auch von staatlichen Akteuren, ausgesetzt sind, die unsere kritische Infrastruktur bedrohen.
In politischen Debatten wird in diesem Zusammenhang oft von Souveränität oder von Unabhängigkeit gesprochen. Das ist zum einen eine Frage der Definition. Zum anderen sollten wir uns vor allem aktiv dafür einsetzen, die Allianz der Demokratien zu fördern, sogar zu erweitern, und das geht nur mit den USA.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist zentral, dass die NATO und die EU gemeinsam Putin und anderen Despoten geschlossen entgegentreten und entschieden agieren können.
Daraus ergeben sich für Deutschland zwei Konsequenzen: Erstens geht es um Glaubwürdigkeit. Ein Land von der Größe und Bedeutung Deutschlands muss den Anspruch und den Willen haben, Verantwortung zu übernehmen, auch dort, wo es Krisen und Konflikte gibt, und auch dann, wenn es dafür nicht immer Applaus gibt. Insbesondere auf europäischer Ebene müssen wir uns dafür einsetzen, die eigene Sicherheit, die eigenen Werte und die eigenen Interessen zu verteidigen, zusammen mit europäischen Partnern.
Zweitens geht es aber auch um Verlässlichkeit. Dazu muss es selbstverständlich sein, dass wir unsere Verpflichtungen, unsere Zusagen in internationalen Gremien dauerhaft erfüllen. Das gilt nicht nur für das 2-Prozent-Ziel. Mit der Realität konfrontiert, müssen wir schon sagen, dass das dauerhaft vermutlich nicht genügen wird. Das führt dazu, dass Europa als Ganzes, aber vor allem auch Deutschland mehr Verantwortung übernehmen muss. Die deutsche Orientierungslosigkeit auf europäischer Ebene, eine fehlende Präsenz der aktuellen Bundesregierung in Brüssel, versinnbildlicht durch den Ausdruck „German Votes“, wird nun enden.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Ja, zum Glück!)
Wir müssen uns deswegen mehr um unsere Belange kümmern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Köhler hat eben gesagt, dass Trump auf Stärke reagiert. Ich würde dem zustimmen. Das führt aber doch zu der Frage: Wer in Deutschland, wer in Europa, wer in den USA glaubt eigentlich, dass die neue Fußgängerampel der Inbegriff der Souveränität und des starken Auftretens gegenüber Trump ist?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Frage werden wir beantworten müssen.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die demokratischen und freien Gesellschaften Europas und Nordamerikas ein gemeinsames, jahrhundertealtes Fundament verbindet. Das gilt es natürlich zu stärken und unermüdlich zu erneuern, allen Differenzen zum Trotz. Es wäre dabei insbesondere mit Blick auf die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland wichtig, auch unsere Handelsbeziehungen zu den USA zu vertiefen. Mögliche Strafzölle auf deutsche Produkte wären gefährlich für unsere Wirtschaft, mögliche Einschränkungen beim Import von Flüssiggas für unsere Energiesicherheit ein Desaster. Eine faire Handelspolitik hingegen würde die transatlantische Achse enorm stärken, auch geostrategisch gegenüber China und Russland.
Ich möchte zusammenfassen: In einer multipolaren Welt, in der autokratische Gegenentwürfe unsere demokratischen Errungenschaften herausfordern, wäre es fatal, das transatlantische Wertefundament als Ganzes infrage zu stellen. Denn letztendlich ist klar: Wir wollen transatlantisch bleiben, aber wir sollten auch europäischer werden. Das ist kein Widerspruch.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Bernd Westphal.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Sacher [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617761 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Konsequenzen des amerikanischen Wahlergebnisses für Deutschland |