08.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 198 / Zusatzpunkt 11

Irene MihalicDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde: Weg für Neuwahlen freimachen, Vertrauensfrage umgehend stellen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist bekannt, dass die Fraktion, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, ein rein taktisches Verhältnis zu den Institutionen des demokratischen Rechtsstaates hat,

(Zuruf von der AfD: Das sagt die Richtige!)

so eben auch zu Wahlen. Die AfD fordert Neuwahlen ja schon seit der letzten Bundestagswahl. Das ist aber kein Ausdruck von demokratischer Gesinnung. Ganz im Gegenteil: Ihr permanenter Ruf nach Neuwahlen ist ein permanentes Misstrauensvotum

(Zurufe von der AfD: Das liegt an Ihrer Politik!)

gegen die Demokratie und missachtet ganz grundsätzlich die Prinzipien des Parlamentarismus, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir suchen uns die Wahlergebnisse eben nicht aus, sondern wir akzeptieren das Votum der Wählerinnen und Wähler.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es bleibt Ihnen auch nichts anderes übrig!)

Und dem werden wir uns auch erneut stellen, sobald der Bundeskanzler den Weg dafür freigemacht hat.

(Beatrix von Storch [AfD]: Dann werden Sie zur Hälfte weg sein!)

Und im Rahmen des Wählerwillens bilden wir Koalitionen, vereinbaren Regierungshandeln und gestalten die Politik für unser Land. Genau so haben wir es nach der Bundestagswahl 2021 auch gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Katastrophe!)

Und das war nicht einfach. Es gab den klaren Auftrag, nach vielen Jahren großkoalitionären Stillstands einen Neuanfang zu wagen. Dieser Aufgabe haben wir uns als Ampelkoalition gestellt. Dabei war uns allen völlig klar,

(Beatrix von Storch [AfD]: … dass das nicht klappen konnte!)

dass eine Koalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen kein Spaziergang wird.

(Tilman Kuban [CDU/CSU]: Das war doch die „Fortschrittskoalition“!)

Wir sind sehr unterschiedliche Parteien, in Programmatik und Ausrichtung. Aber wir waren bereit, uns auf neue Wege einzulassen, weil Deutschland nach 16 Jahren Reformstau endlich einen neuen Aufbruch gebraucht hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind diesen nicht einfachen Weg gegangen und haben – das ist meine feste Überzeugung, meine Damen und Herren –

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie sind auf die Schnauze gefallen auf diesem Weg!)

auch vieles zusammen erreicht, trotz aller politischen Unterschiede und trotz der immensen Herausforderungen gerade aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben unser Land in der Folge nicht nur aus einer schweren Energie- und Wirtschaftskrise rausgeführt, sondern es auch grundlegend verändert, und zwar zum Positiven. Ich bin mir auch sicher, dass vieles, was wir in nur drei Jahren erreicht haben, historisch ist

(Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Ja, das kann man sagen! – Beatrix von Storch [AfD]: Das stimmt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

und im Rückblick auch genauso betrachtet werden wird, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Westbindung, die Ostpolitik, die deutsche Einheit – darüber haben wir eben debattiert –, der Einstieg in das dekarbonisierte Zeitalter und damit in die energiepolitische Unabhängigkeit von autokratischen Systemen: Das sind doch historisch und auch gegenwärtig die großen Linien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist wirklich tragisch, dass die FDP in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr die Kraft gefunden hat, diesen Weg mit uns weiterzugehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

– Ja, das müsst ihr euch schon noch anhören. – Immer wieder hat die FDP bereits gefundene Kompromisse verworfen. Immer wieder wurden Gesetze im Parlament blockiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Bis zuletzt gab es Provokationen wie das Kahlschlagpapier von Christian Lindner, das in Wort und Geist mit dem Koalitionsvertrag gebrochen hat. Es ist wie damals bei den Jamaika-Sondierungen: Wenn es darauf ankommt, macht sich immer derselbe vom Acker.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Grundhaltung ist nicht mit verantwortungsvollem Regierungshandeln vereinbar, schon gar nicht in schwierigen Zeiten wie diesen. Von daher ist es bitter, dass die Ampel jetzt aus ist. Aber angesichts der permanenten Provokationen, der Blockade, des Dauerstreits auf offener Bühne war dieser Schritt trotzdem richtig. Denn wir können es uns nicht leisten, dass sich Deutschland in dieser weltpolitischen Lage präsentiert wie ein Trash-TV-Format, meine Damen und Herren.

Wir als Grüne wollen in dieser schwierigen Situation Verantwortung übernehmen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Neuwahl!)

für einen geordneten Übergang zu Neuwahlen sorgen und unser Land nicht dem Chaos überlassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])

Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der Ukraine,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Die Grünen setzen jetzt Taurus um, oder was?)

die weiterhin von Putins brutalem Angriffskrieg überzogen wird. Nicht nur angesichts des Wahlsiegs von Trump ist doch völlig klar, dass sich Europa einen nationalen Egoismus nicht leisten kann.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Mehr Zusammenarbeit in Europa ist die Antwort, gerade auch mit Blick auf unsere Verteidigungsfähigkeit. Wir stellen uns der Aufgabe, wieder in die Sicherheit und die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu investieren, und werben auch hier im Hohen Haus um Mehrheiten dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Lebensrealität der Menschen, das ist unser politischer Auftrag. Die Lebenshaltungskosten müssen erträglich sein. Die Miete darf das Einkommen nicht auffressen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie machen genau das Gegenteil! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie haben doch drei Jahre Zeit gehabt!)

Das BAföG muss auskömmlich sein. Der ÖPNV muss mit dem 49-Euro-Ticket attraktiv und bezahlbar bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Muss, muss, muss!)

Und auch Menschen mit geringem Einkommen sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Kinder dürfen nicht zum finanziellen Risiko werden. Und wir schämen uns nicht dafür, sondern wir kämpfen weiter für einen gerechten Klimaschutz, weil es um unsere Lebensgrundlagen und die unserer Kinder geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

All diese Fragen sind existenziell und keine verzichtbaren Streichposten im Haushalt.

Mit diesem Zynismus ist ab heute Schluss, meine Damen und Herren. Das hier ist kein Spiel.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie sind einfach politikunfähig! – Zuruf des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU])

Es geht nicht um Egoismen oder kurzfristige Geländegewinne. Wir stellen uns dieser Verantwortung in schweren Zeiten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Stellen Sie sich zur Wahl!)

damit unser Land und die Menschen, –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– die hier leben, eine Zukunft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Stellen Sie sich den Wahlen! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das will aber niemand mehr! Rot-Grün will niemand mehr! – Gegenruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entscheiden nicht Sie, sondern die Wählerinnen und Wähler!)

Christian Dürr für die FDP-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617845
Wahlperiode 20
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Weg für Neuwahlen freimachen, Vertrauensfrage umgehend stellen
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