05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 6

Johannes ArltSPD - Verteidigungspolitik, Einsatzbereitschaft Bundeswehr

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss leider einige Sekunden meiner wertvollen Redezeit hier verschwenden,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie verschwenden die ganze Redezeit für irgendwelchen Unsinn!)

um einige Fake News der AfD aufzuklären, die hier von einem Kollegen verbreitet werden, der ein Soldat ist, der seine Uniform nicht tragen darf, der keine Kaserne betreten darf,

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

der als Extremist eingestuft ist, der aus dem Dienst entfernt wird und sich deswegen auch keine Sorge um seine Rentenansprüche machen muss; denn er wird keine Rente bekommen für seine Dienstzeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und wenn dieser Kollege behauptet, wir hätten jemals Wehrpflichtige in Kriege oder Auslandseinsätze geschickt, dann sage ich: Das haben wir nicht, und das werden wir niemals tun – egal in welcher Wehrverfassung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben auch keine sinkenden Soldatenzahlen, sondern die Soldatenzahlen sind von 180 000 auf 181 000 gestiegen. Die Bewerberzahlen sind dieses Jahr um über 20 Prozent gestiegen. Also, meine Damen und Herren, lassen Sie sich hier keine Fake News für richtige Informationen verkaufen

(Zuruf von der AfD: Sie können nur nicht lesen!)

von jemandem, der nicht einmal eine Uniform tragen darf!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Zeitenwende steht für vieles, was wir in den vergangenen Jahren auch mit der Union gemeinsam für unsere Streitkräfte erreicht haben. Und seit dem 6. November 2024 gibt es eine neue Dimension der Zeitenwende, nämlich dass wir gemeinsam für unsere äußere Sicherheit fraktionsübergreifend mit allen demokratischen Parteien zusammenstehen müssen, auch wenn es keine stabile Regierungsmehrheit mehr gibt; denn die Zeitenwende findet im Leben von vielen Soldaten statt.

Gestern habe ich mit einem Freund telefoniert. Wir waren gemeinsam in Mali im Einsatz; jetzt ist er in Litauen in einer einsatzgleichen Verpflichtung, der EFP, und ist dort quasi der Stolperdraht der NATO – der erste Schritt zu einer wirksamen Abschreckung. Aber unsere Sicherheitslage erfordert mehr. Wir wollen eine glaubhafte Abschreckung. Deshalb befinden sich auf der anderen Seite Kameraden in diesen Tagen im Aufstellungsstab der Brigade 45 in Litauen, um die schnellstmögliche Stationierung einer deutschen Brigade mit ihren Familien in unserem europäischen Partnerland möglich zu machen. Denen möchte ich für ihren Dienst, auch an den Weihnachtsfeiertagen, danken. Vielen Dank für Ihren Dienst!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Rolle und das Gefühl, sicherheitspolitisch Verantwortung für andere übernehmen zu müssen, sind neu; aber gerade hier in der Mitte Berlins, wo wir tagen, hatten früher die Franzosen mit ihren Streitkräften ihren Sitz im damaligen Quartier Napoléon, der heutigen Julius-Leber-Kaserne. Und heute lösen wir die Verpflichtung, Verantwortung zu übernehmen, eben selbst ein. Die Menschen in unserem Land erwarten, dass wir auch vor dem Ablauf dieser Legislaturperiode in fundamentalen Fragen parteipolitische Differenzen beiseitelegen; und die Stationierung der Brigade in Litauen ist eine solche Frage.

Im Verwaltungsdeutsch – der Minister hat es bereits gesagt – heißt der Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr“. Mit diesem Gesetz verbessern wir die Vergütung bei Auslandsverwendungen, wir erhöhen Zuschläge im Gegenzug für eine gesteigerte Flexibilität bei Belastung und Arbeitszeit, und wir passen das Trennungsgeld an die Einsatzversorgung an. Der Titel des Gesetzentwurfes klingt sehr technisch, ebenfalls ist es der Inhalt, aber die unmittelbaren Auswirkungen sind mitnichten trivial.

Gleichzeitig wollen wir das deutsch-litauische Regierungsabkommen ratifizieren, das das litauische Parlament mit 100 Prozent Zustimmung bestätigt hat. Und wir schaffen endlich ein wirksames Mittel dagegen, dass ehemalige deutsche Kampfpiloten zum Beispiel in China Piloten ausbilden.

Im Kontext betrachtet wird also klar, warum das Artikelgesetz „Zeitenwende“ so bedeutsam ist und noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden muss. Es ist maßgeschneidert für die Aufstellung einer 5 000 Mann und Frau starken Brigade in Litauen. Es ist ein Zahnrad der Zeitenwende – ein sehr gutes Gesetz, das mit den Wünschen der Fraktionen im kurzen parlamentarischen Verfahren sicherlich noch besser gemacht werden kann.

Wir haben uns gemeinsam mit dem NATO-Partner Litauen vorgenommen, eine Brigade zu stationieren und diese als Teil der Kräfte mit der höchsten Einsatzbereitschaft bis 2027 bereitzustellen. Viele Soldatinnen und Soldaten haben sich bereits freiwillig gemeldet für diesen großen Schritt, nach Litauen zu gehen, aber wir brauchen noch viele Personen, bis die volle Einsatzbereitschaft erreicht wird.

Dieses Artikelgesetz schafft die notwendigen Anreize für eine Verwendung in Litauen. Dazu gehören selbstverständlich auch Regeln, die das finanziell attraktiver machen. Ich kann Ihnen sagen – ich war selber von 2019 bis 2021 im Ausland stationiert –: Es ist ein riesiger Schritt für eine Familie, ins Ausland zu gehen. Die administrativen Hürden sind hoch, dann kommen Kinder mit, dann kommen Partner mit. Dort hinzugehen und auch wieder zurückzukommen, das müssen wir ihnen so leicht wie möglich machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Angemessen ist es allemal; denn diese Soldatinnen und Soldaten sichern unsere Ostflanke und werden ein Zeichen wirksamer Abschreckung sein.

Doch uns muss klar sein: Putin wird 2029 in der Lage sein, die NATO anzugreifen; dies hat zuletzt Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, öffentlich gesagt. Doch selbst unter einem offenen Angriff der NATO lauern Gefahren für unser Bündnis. Russland könnte mit einer Nadelstichtaktik die Solidarität der NATO-Partner ins Visier nehmen. Mit dieser Brigade zeigen wir, dass kein Zweifel an unserer Solidarität in der NATO besteht.

In der Sache wird vermutlich kein Abgeordneter der demokratischen Parteien ernsthafte Einwände gegen die Notwendigkeit des Artikelgesetzes erheben. Es geht hier nicht um ein Nice-to-have-Projekt unserer Minderheitsregierung. Es geht nicht um ein Nice-to-have-Projekt unseres Ministers. Es geht um unsere äußere Sicherheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Alle in diesem Raum wissen, was auf dem Spiel steht. Unser Wort steht, dass wir mit der Union bereit sind zu verhandeln, dieses Gesetz besser zu machen, mit den anderen Fraktionen in diesem Haus. Ideen und Änderungswünsche dafür haben wir alle; zum Beispiel würde auch ich gerne die Einsatzversorgung noch nachbessern.

Also, unser Angebot an die Opposition steht, und wir werden in den nächsten Wochen ehrlich und gemeinsam verhandeln. Aber es muss klar sein: Dieses Gesetz darf nicht auf den letzten Metern an Detailfragen scheitern. Es muss kommen; es ist wichtig für unsere äußere Sicherheit. Diesen Pfeiler der Zeitenwende sollten wir jetzt gemeinsam durchs Parlament bringen, noch vor der Bundestagswahl.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Kerstin Vieregge.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Nils Gründer [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618732
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Verteidigungspolitik, Einsatzbereitschaft Bundeswehr
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