Annika KloseSPD - Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Wir alle greifen morgens in unseren Kleiderschrank und wählen etwas zum Anziehen aus. Wir machen uns dabei durchaus Gedanken: Passt die Auswahl zum Wetter, zum Anlass, zu unserer Stimmung? Weitaus seltener fragen wir uns morgens: Woher kommt diese Kleidung eigentlich? Wer hat sie gefertigt, unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis?
Viele Produkte, die wir täglich benutzen, werden immer noch unter Bedingungen hergestellt, die wir hier bei uns in Deutschland so niemals akzeptieren würden. Menschen müssen unter ausbeuterischen Bedingungen in Minen, auf Feldern und in Fabriken arbeiten – ohne Arbeitsschutz, mit Löhnen, die nicht zum Leben reichen, ohne Rechte und Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Und auch die Umwelt leidet.
Aber wessen Aufgabe ist es eigentlich, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert? Sollte diese Verantwortung bei mir als Verbraucherin liegen? In Deutschland existieren schätzungsweise über 1 000 verschiedene Gütesiegel. Sie sollen Qualität, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit zeigen – doch für Verbraucher/-innen ist oft völlig unklar, was diese eigentlich bedeuten. Daher bin ich, ist meine Fraktion der Überzeugung, dass es nicht die Aufgabe der Verbraucher/-innen sein kann, zu prüfen, ob Unternehmen verantwortungsvoll handeln. Außerdem hat sich gezeigt: Freiwillige Selbstverpflichtungen alleine reichen nicht aus. Viel zu wenig ist passiert, zu unambitioniert waren die Ansätze.
Es ist Aufgabe von Staaten, dafür zu sorgen, dass Menschenrechte gesetzlich verankert und durchgesetzt werden. Unternehmen müssen dann sicherstellen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Ich möchte hier noch mal festhalten: Es geht hier wirklich um die ganz grundlegenden Menschenrechts- und Umweltstandards. Diese nicht einzuhalten, darf kein Wettbewerbsvorteil sein!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Lieferkettengesetz hat dafür gesorgt, dass einheitliche Regeln für alle geschaffen wurden und gleiche Bedingungen für alle Firmen gelten. Ein wichtiger Schritt.
Jetzt legt die FDP hier einen Gesetzentwurf zur Abschaffung dieses Lieferkettengesetzes vor.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dabei hatten wir erst im September dieses Jahres gemeinsam mit Ihnen, der FDP, die Wachstumsinitiative auf den Weg bringen wollen, die eine pragmatische Umsetzung der europäischen Standards und Lieferkettensorgfaltspflichten gewährleistet hätte, die neue Regelungen implementiert und mit dem deutschen Lieferkettengesetz in Einklang gebracht hätte. Dies wäre ein echter und für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durchaus auch sehr schmerzhafter Kompromiss gewesen; denn es wären deutlich weniger Unternehmen von dieser Regelung umfasst als mit dem deutschen Gesetz.
Tatsächlich geht es der FDP hier aber offensichtlich nicht um tragbare Kompromisse, sondern darum, ihre Ideologie mit der Brechstange durchzusetzen.
(Benjamin Strasser [FDP]: Was sagt Scholz dazu? – Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir wollen nur dem Kanzler folgen!)
Bereits 2021 kritisierte die FDP den deutschen Alleingang bei der Lieferkette. In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 liest man – ich zitiere –:
„Wir Freie Demokraten setzen auf gelebte Eigenverantwortung von Unternehmen und Konsumenten zum besseren Schutz der Menschenrechte. ... Daher treten wir für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein.“
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Aber nicht zur Haftung auf europäischer Ebene!)
Schaut man jetzt mal in die Historie, zeigt sich auch hier, dass Sie nicht Wort gehalten haben; denn als es in Brüssel zur Verabschiedung des europäischen Gesetzes, kurz CSDDD, gekommen ist, haben der damalige FDP-Justizminister Marco Buschmann und der FDP-Ex-Finanzminister Christian Lindner erklärt, dass sie die Richtlinie in der Form auch nicht mittragen können.
Kollegin Klose, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Nein.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Dies hatte zu einer Enthaltung Deutschlands geführt. Das war richtig peinlich für Deutschland.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Nein! Das war genau richtig für Deutschland! Haftung ist nicht Eigenverantwortung!)
Das CSDDD wurde zum Glück trotzdem beschlossen.
Die Einhaltung von grundlegenden Menschenrechten, der Schutz der Umwelt und die Dokumentation der Bemühungen dazu sind für mich, sind für uns keine Bürokratie. Mehraufwand rechtfertigt nicht, dass sie nicht eingehalten werden. Internationale Standards einzuhalten, darf auch keine unternehmerische Abwägung sein, bei der Kosten und Nutzen gegenübergestellt werden. Das gehört zu der unternehmerischen Sorgfaltspflicht und sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Ich möchte, dass sichergestellt ist, dass sich die Menschen in diesem Land morgens nicht fragen müssen, ob Menschen und die Umwelt unter der Herstellung ihrer Kleidung leiden mussten, sondern dass sie sich darauf verlassen können, dass die grundlegenden Rechte und Standards eingehalten wurden. Dafür steht die SPD.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Strasser das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7618766 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes |