05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 8

Maximilian MörseburgCDU/CSU - Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen ab einer Größe von 3 000 Mitarbeitern, seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1 000 Mitarbeitern. Der Inhalt dieses Gesetzes ist, dass diesen Unternehmen Sorgfaltspflichten auferlegt werden, wodurch sichergestellt werden soll, dass es entlang ihrer Lieferketten zu weniger Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden kommt.

Leider ist aber die Wahrheit, dass diese Form der Regulierung ihr löbliches Ziel nicht erreicht und stattdessen zu bürokratischer Mehrbelastung führt und Risiken für die Unternehmen sowie für Märkte insbesondere in Entwicklungsländern birgt. Schon bald nach Inkrafttreten dieses Gesetzes hat sich gezeigt, dass es auf den Prüfstand muss.

Aber vor allem haben sich schon vorher die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unserem Land völlig verändert. Das lässt sich beispielsweise an Zahlen der deutschen Leitindustrie, die in Wolfsburg, aber auch zum Beispiel in meinem Wahlkreis in Stuttgart sehr entscheidend ist, ablesen. Die Automobilproduktion, die während der Jahre unter unionsgeführten Regierungen noch Rekorde von 5,7 Millionen produzierten Fahrzeugen pro Jahr verzeichnen konnte, bewegt sich in den letzten Jahren bei 3 bis 4 Millionen Fahrzeugen pro Jahr – also von 5,7 Millionen Fahrzeugen in den letzten Jahren auf noch 3 bis 4 Millionen Fahrzeuge. Wir sehen die Folgen im ganzen Land.

Aufgrund dieser veränderten Bedingungen wollten wir als CDU/CSU-Fraktion die Lieferkettenregeln bereits am 15. Dezember 2022, noch vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, aussetzen. Leider konnten wir die Ampelregierung – damals noch inklusive FDP – nicht von diesen Plänen überzeugen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ah! Hört! Hört!)

Schon damals haben wir Ihnen gesagt, dass sich die weltwirtschaftliche Lage verändert hat, dass wir nicht so tun können, als gäbe es keinen Krieg in Europa. Wir haben schon damals auf die Ampelregierung eingewirkt, dass der Prozess für eine EU-Richtlinie unverzüglich gestoppt werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu konnten sich allerdings SPD, Grüne und FDP zu diesem Zeitpunkt nicht bewegen lassen.

(Benjamin Strasser [FDP]: Nein, das stimmt nicht!)

Die Ampel hat in Brüssel zugestimmt, die Verhandlungen über die europäische Richtlinie fortzusetzen. Wie wir heute wissen, haben diese Verhandlungen, an denen die Ampelregierung tatkräftig mitgewirkt hat, am Ende zu einem EU-Lieferkettengesetz geführt, das weit über die deutschen Regelungen hinausgeht, was die Pflichten, die Strafen, die Reichweite, aber auch die Haftung angeht.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich verstehe, dass die FDP nun auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl versucht, davon abzulenken, dass das EU-Lieferkettengesetz in weitreichender Form im europäischen Recht verankert ist und dass sie das eben nicht verhindert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wer war denn da noch mal Kommissionschefin, lieber Herr Kollege von der Union? Können Sie den Namen der EU-Chefin kurz für mich diktieren? – Zuruf des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Während das deutsche Lieferkettengesetz eine Art Probelauf war, ist die europäische Lieferkettenrichtlinie nun gewissermaßen eingraviert. Und wir wissen, was es bedeutet, wenn etwas im europäischen Recht eingraviert ist,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ach, die Märchenbildung ist ja nicht mehr zu glauben!)

nämlich dass es unglaublich schwierig wird, da wieder rauszukommen. Unsere Unternehmen werden auf Jahre mit einem Gesetz kämpfen,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Vorbereitung von Schwarz-Grün!)

das man getrost als „Virtue Signalling“ im Großformat – wir konnten es gerade bei der Vorrednerin mal wieder sehen – bezeichnen kann.

Was hat der Widerstand der FDP innerhalb der Regierung ganz zum Schluss dann noch gebracht?

(Benjamin Strasser [FDP]: Er hat viel gebracht!)

Ihre Enthaltung auf den letzten Metern im EU-Ministerrat war kein Moment des heldenhaften Widerstands, wie Sie ihn darstellen. Es war eine Bankrotterklärung einer Regierung, die die stärkste Volkswirtschaft in Europa anführt, die ein Land regiert, das Exportchampion ist, die aber die eigenen Interessen nicht vertritt, die erst in die eine Richtung verhandelt und sich am Ende enthält. Dann standen Sie nackt da, weil Sie es eben nicht verhindern konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Der Kommissionspräsidentin würde ein bisschen mehr Demut guttun!)

Ihre Enthaltung führte nicht dazu, dass das EU-Lieferkettengesetz aufgehalten wurde. Ihre Enthaltung führte aber dazu, dass wir auf europäischer Ebene nicht mehr ernst genommen wurden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jürgen Kretz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Wirtschaft wurde damals schon abgewürgt; zu diesem Zeitpunkt war das längst klar. War es den Liberalen zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass die Wirtschaft abgewürgt wird?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, aber auf der Grundlage eures Gesetzes, Mann!)

Das haben Sie in Ihren Reden regelmäßig erwähnt.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wie hieß noch mal der Minister, der das eingeführt hat?)

Was also hat sich seither verändert? Was hat Sie bewogen, die ganzen Dinge von Bürgergeld bis Lieferkettengesetz trotz besseren Wissens in der Sache – das hatten Sie damals – mitzutragen,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wir haben keinmal, nicht einmal das Lieferkettengesetz mitgetragen! Lügen Sie hier bitte nicht! Wir haben nicht einmal einem Lieferkettengesetz zugestimmt! Das ist eine Lüge! Das ist dreist von Ihnen! Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit! Mein Gott! Wahrheit! Das ist hier wichtig! – Gegenruf des Abg. Marc Biadacz [CDU/CSU])

zuletzt unseren Gesetzentwurf zur Abschaffung abzulehnen, aber jetzt diese Regierung aufzukündigen und heute das exakte Gegenteil zu vertreten?

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Mein Gott! Ich hätte mehr erwartet von der Union! Wenn das nicht peinlich ist! Dass Ihnen das nicht peinlich ist!)

Das Einzige, das sich seither verändert hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Wahlumfragewerte der FDP. Als man noch stabil über 5 Prozent war, konnte die Wirtschaft das Lieferkettengesetz vertragen, und sogar eine Verschärfung und Zementierung aus Brüssel war okay; aber seitdem Sie stabil unter 5 Prozent sind, ist alles anders.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Dass Ihnen das nicht peinlich ist!)

Plötzlich teilen Sie unsere Sorgen, lassen die Ampel kalkuliert platzen, stellen hier einen Gesetzentwurf ins Schaufenster. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das durchschaut leider jedes Kind.

(Zuruf des Abg. Jürgen Kretz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieser Gesetzentwurf ist eine weitere Szene in Ihrer Theateraufführung. Von uns bekommen Sie dafür heute keinen Szenenapplaus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Dass Ihnen das nicht peinlich war!)

Das Wort hat Jürgen Kretz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618770
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
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