Bernd RützelSPD - Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute kommt der Nikolaus, zumindest in meiner Heimat. Da kommt er nämlich schon am Vorabend des 6. Dezember.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Am Abend, genau!)
Er hat einen großen Sack dabei. In seinem Sack sind Schokolade, Mandarinen und Lebkuchen. Aber diese Dinge waren nicht immer in dem Sack vom Nikolaus. Die sind oftmals unter schweren Arbeitsbedingungen auf den Feldern, auf den Plantagen der Welt geerntet worden. Und nicht selten mussten Kinder von früh bis spät dafür schuften. Aber die Kinder gehören nicht auf die Felder oder in die Minen, sie gehören in die Schule. Das ist der Punkt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Frage ist: Was hat das alles mit uns hier zu tun? Ich frage uns alle; Sie frage ich: Wie wollen Sie selber behandelt werden?
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Rützel, mit dem Gesetz schaffen wir doch keine Kinderarbeit ab! – Gegenruf des Abg. Jürgen Kretz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)
Wie wollen wir behandelt werden? In der letzten Debatte hier wurde gefragt: Haben wir denn Verantwortung für die kleinste Bude am Ende der Welt? – Ja, die haben wir; denn die Menschen dort in der kleinsten Bude am Ende der Welt haben wir beauftragt, für uns zu arbeiten. Deswegen sind wir auch verantwortlich. Für die Menschen am Ende der Welt sind nämlich wir die Menschen am anderen Ende der Welt.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP])
Menschenrechte gelten global. Sie sind automatisch da, von Geburt an; sie stehen jedem Menschen zu. Das steht in unserem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es geht aber weiter: Sie zu achten und zu schützen, ist die Aufgabe jeder staatlichen Gewalt. Das ist sozusagen unser Job.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen ist es gut, dass wir das Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht haben.
Und was passiert heute, am Nikolausabend? CDU/CSU und FDP bringen jeweils ein Gesetz ein, mit dem unser Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abgeschafft werden soll. Wir haben es doch in der GroKo gemeinsam beschlossen. Jetzt wollen Sie es abschaffen. Wenn das der Nikolaus erfährt, dann bringt er keine Schokolade, keine Mandarinen und keine Lebkuchen mit.
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oah!)
Sie gaukeln vor, dass unser Lieferkettengesetz die Wirtschaft belastet. Das ist Ihre Motivation. Vielleicht singen Sie auch nur so manches Lied.
(Zuruf des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])
Ich möchte an drei Punkten erklären, weshalb Sie hier falschliegen.
Erster Punkt. Unsere Wirtschaft ist längst weiter als Sie. Unsere Unternehmen sind vorbereitet; sie haben sich eingerichtet.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Bernd, du musst schon auch mal mit der Wirtschaft sprechen!)
Sie haben mit diesem Lieferkettengesetz eine Bemühenspflicht und keine Erfolgspflicht.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP])
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hilft bei der Einführung. Dass die jetzt alles über Bord werfen sollen, was sie aufgebaut haben, ist das viel größere Problem. Das würde nämlich bedeuten: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. – Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Wolfgang Kubicki [FDP] und Norbert Kleinwächter [AfD])
Das hat der Kollege von den Grünen wunderschön beschrieben. – Vielen Dank!
Zweiter Punkt. Ja, wir haben Gott sei Dank diese EU-Lieferkettenrichtlinie. Sie muss innerhalb der ersten zwei Jahre umgesetzt werden; sie ist am 25. Juli dieses Jahres in Kraft getreten. Und diese Richtlinie bietet zwei große Chancen, zwei riesige Vorteile:
Erstens müssen sich nun alle daran halten. Also, ich verstehe nicht, dass das ein Nachteil für die deutschen Unternehmen ist, die sich da bereits eingerichtet haben.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP])
Jetzt gilt sie für alle. Neuerdings würde man sagen: Ein Level Playing Field hat man geschaffen. Das ist was Positives.
(Beifall der Abg. Angelika Glöckner [SPD])
Zweitens. Die deutsche Wirtschaft ist schon weiter. Die hat das erprobt, die hat das gemacht, die ist schon drinnen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Es muss doch geredet werden! Das ist eine Behauptung!)
Wenn andere anfangen, sind wir längst dabei.
Dritter Punkt. Unternehmen wissen, dass es ein großer wirtschaftlicher Vorteil ist, wenn sie nachweisen können – –
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie müssen mal in meinen Wahlkreis fahren und die Unternehmen besuchen! Sollen wir mal in meinen Wahlkreis fahren? – Zuruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP])
– Das nützt gar nichts, wenn Sie dazwischenreden.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist eine Einladung an dich! Wir machen mal zusammen eine Tour!)
Für unsere Unternehmen ist es ein großer wirtschaftlicher Vorteil, wenn sie nachweisen können,
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist denn mit dem Kanzler? Was ist mit Olaf Scholz? Der wollte das doch weghaben!)
dass sie nicht Gewinne machen mit einem Wirtschaftsmodell, das auf Ausbeutung setzt, das auf Kinderarbeit und Zwangsarbeit setzt. Das Wirtschaftsmodell ist dann gut, wenn es fair ist, wenn es nachhaltig ist und wenn es gerecht ist.
Drei Punkte will ich zum Schluss kurz ansprechen.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, Olaf Scholz will Kinderarbeit!)
Olaf Scholz sagt, was er tut, und tut, was er sagt.
(Lachen bei der FDP)
Deswegen ist es genau richtig, was unser Kanzler vorgibt. Der Kanzler weiß, dass wir – das habe ich auch hier am Rednerpult des Deutschen Bundestages mehrfach gesagt – keine doppelten Berichtspflichten brauchen; das ist Quatsch. Das brauchen wir nicht, das können wir abschaffen. Aber wir brauchen einen Bericht. Keinen Bericht zu haben, würde Missbrauch Tür und Tor öffnen. Wir brauchen einen Bericht, aber einer reicht, Herr Kubicki.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Arbeitsminister und der Wirtschaftsminister setzen ein Sofortprogramm um – das haben die bereits im September auf den Weg gebracht –, damit es etwas flüssiger geht. Und wir sind dabei, den Gestaltungsbereich des europäischen Lieferkettengesetzes vorzuziehen, auf den Weg zu bekommen. Annika Klose hat schon ausgeführt – das wird auch nächste Woche passieren –,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wo ist sie denn?)
dass wir bereits am europäischen Lieferkettengesetz dran sind; denn das deutsche war die Blaupause. Wenn wir das alles einhalten, dann funktioniert es.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihr macht gar nichts!)
Ein Vorschlag zum Schluss: Geben Sie Ihre Gesetzentwürfe dem Nikolaus. Der nimmt sie mit, der weiß, was zu tun ist, und dann gibt es faire Schokolade, faire Mandarinen, –
Kollege.
– und dafür sind ganz viele dankbar auf der Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da haben wir die Bescherung!)
Das Wort hat Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618773 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes |