Jan DierenSPD - Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete in den demokratischen Fraktionen!
(Matthias W. Birkwald [Die Linke]: Ach so! Wir nicht, oder was?)
– Und Gruppen! – Die FDP möchte das „Bürokratiemonster“ Lieferkettengesetz abschaffen. Klar, niemand von uns mag überflüssige Bürokratie. Beim Lieferkettengesetz gibt es Berichtspflichten, durch die Unternehmen verpflichtet werden, darüber zu berichten, ob entlang ihrer Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden.
Jetzt ist ja die Frage: Würden Unternehmen das auch machen, wenn es das Lieferkettengesetz nicht gäbe? Auf die Frage haben wir eine Antwort: Bis das Lieferkettengesetz galt, gab es nämlich eine freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen. Daran haben sich aber über 80 Prozent der Unternehmen nicht gehalten,
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)
und deshalb braucht es das Lieferkettengesetz.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Freiwilligkeit funktioniert nicht; es braucht ein Gesetz.
Ich will dafür ein Beispiel nennen: Bananen. Wir alle kaufen Bananen im Supermarkt. Geerntet werden die aber nicht hier, sondern weltweit, zum Beispiel in Lateinamerika. Vor ein paar Wochen habe ich mich mit Bananenbäuerinnen aus Ecuador und Costa Rica getroffen. Sie sind extra den weiten Weg von Lateinamerika hierhin geflogen, in den Bundestag gekommen, um uns eine klare Botschaft mitzubringen:
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Um mit Ihnen zu reden! Na, Prost Mahlzeit!)
Bitte schafft das Lieferkettengesetz nicht ab! Es schützt uns; es verbessert unsere Arbeitsbedingungen. Das Lieferkettengesetz wirkt.
(Bernd Rützel [SPD]: So ist es!)
Deshalb schafft es bitte nicht ab!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wie wirkt das Lieferkettengesetz? Auf diesen Plantagen werden beispielsweise Pestizide versprüht. Weil die unwegsam sind, werden die mit einem Flugzeug versprüht, aus der Luft, großflächig. Oft auch dann noch, wenn Menschen auf dem Feld sind und da arbeiten. Das ist nicht nur gesundheitsschädlich, höchst gesundheitsschädlich, sondern auch verboten. Es wurde trotzdem gemacht.
Und seit es das Lieferkettengesetz gibt, wird das aber häufiger kontrolliert. Das heißt, ganz konkret sorgt es dafür, dass Menschen weniger Gesundheitsschäden erleiden. Das Lieferkettengesetz wirkt, und deshalb ist es wichtig; deshalb brauchen wir es.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dafür zu sorgen, dass Menschen auf Bananenplantagen nicht mutwillig an der Gesundheit geschädigt werden, nicht mit Pestiziden übersprüht werden, nicht wie Ungeziefer behandelt werden, das nennt die FDP jetzt Bürokratie. Das nennen Sie hier Bürokratie.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist unterste Schublade, Herr Kollege! Unterste Schublade! – Pascal Kober [FDP]: Das ist schäbig! – Gegenruf des Abg. Jürgen Kretz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn daran schäbig?)
Ich nenne das ein Minimum an Menschenrechten, ein Minimum an Menschenwürde.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und ja, das kommt nicht von allein; das verursacht Kosten. Durch die Berichte, durch die Umsetzung entstehen Kosten – für kleinere Unternehmen im Verhältnis größere Kosten als für große Unternehmen. Deshalb: Wenn der Anwendungsbereich des europäischen Lieferkettengesetzes vorgezogen wird, wird ja auch der Situation kleiner und mittlerer Unternehmen besonders Rechnung getragen.
Aber es gilt eben nicht nur für die, sondern auch für große Unternehmen. Auch da ein Beispiel: Wir alle kennen die Supermarktkette Lidl. Vielleicht haben wir alle da auch schon mal Bananen gekauft. Für große Unternehmen entstehen durch die Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes Kosten in Höhe von – das hat die EU ermittelt, bevor sie es erlassen hat – 0,0004 Prozent des Umsatzes.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Klar, die geben das an ihre Subunternehmer weiter!)
Für Lidl, das zur Schwarz-Gruppe gehört, die einen Umsatz von 167,2 Milliarden Euro hat, entstehen damit also Kosten von ungefähr 670 000 Euro. 670 000 Euro sind viel Geld, aber für Lidl, sollte man meinen, ja wohl tragbar.
Und es ist ja auch nicht so, als wenn das Unternehmen gerade in wirtschaftlichen Schwierigkeiten wäre. Im Gegenteil: Dieter Schwarz – das ist der reichste Mann Deutschlands; dem gehört Lidl, dem gehört die ganze Schwarz-Gruppe – hat sein Vermögen allein im letzten Jahr um 4,2 Milliarden Euro erhöht.
4,2 Milliarden Euro. Ich habe mich dann gefragt: Worauf muss der Mann jetzt eigentlich verzichten durch das Lieferkettengesetz? Auf 670 000 Euro!
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie machen einen Klassenkampf aus jedem Thema! Wirklich! Also, man kann kaum zuhören! Haben Sie überhaupt keinen Sachlichkeitsanspruch? Das ist Populismus! – Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])
670 000 Euro, was kann ich davon machen? In Berlin kann ich davon nicht mal mehr eine Dreizimmerwohnung kaufen. Ich habe geschaut: Eine kleine Jacht kann ich mir davon kaufen, nicht mal eine Luxusjacht, würde ich sagen; es ist eine kleine Jacht.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist Kommunismus, Sozialismus! Also, wenn ihr meint, dass ihr so den Wahlkampf macht!)
Dieter Schwarz also kann sich jetzt statt 6 269 Jachten, die er sich im Jahr kaufen kann, nur noch 6 268 Jachten kaufen! Eine Jacht im Jahr, auf die der verzichten muss. Eine Jacht im Jahr, auf die Dieter Schwarz verzichten muss,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Es geht nicht nur um Schwarz! Es geht um die kleinen und mittelständischen Unternehmen! Die gehen pleite!)
damit Menschen auf Bananenplantagen nicht mit Pestiziden übersprüht werden!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bernd Rützel [SPD]: Genau! Darum geht es!)
Eine Jacht im Jahr, damit Menschen wie Menschen behandelt werden. Ich finde, das ist wirklich nicht zu viel verlangt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Oh Mann!)
Das Wort hat Dr. Ottilie Klein für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618778 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes |