05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 8

Sanae AbdiSPD - Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Nie wieder Rana Plaza!“, das hatte der damalige Entwicklungsminister Müller versprochen, nachdem beim Zusammensturz einer Textilfabrik in Bangladesch mehr als 1 000 Arbeitnehmer/-innen ums Leben gekommen sind. Sie starben, weil grundlegende Bedingungen der Gebäude- und Arbeitssicherheit ignoriert worden waren. Elf Jahre ist das jetzt her.

Millionen von Menschen arbeiten weltweit oft unter lebensgefährlichen Bedingungen für Löhne, die nicht ausreichen, um ihre Existenz zu sichern. Unzählige Kinder werden auf Kaffee- und Kakaoplantagen, in Steinbrüchen oder in Textilfabriken für die Produkte ausgebeutet, die wir tagtäglich konsumieren.

Mit der Einführung des deutschen Lieferkettengesetzes haben wir ein wichtiges Instrument geschaffen, um dafür zu sorgen, dass unsere Produkte nicht auf Kosten der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hergestellt werden. Unser Gesetz legt klare Anforderungen für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen fest. Und das, was Unternehmen jetzt brauchen, ist eben Planungssicherheit und nicht dieses ständige Hin und Her, die Diskussionen um Abschaffung, Aussetzung, Rückgängigmachung von einem Gesetz, zu dem wir verpflichtet sind.

Und es ist eben auch nicht so, dass deutsche Unternehmen vor lauter Bürokratie nicht mehr wissen, wie sie den Berichtspflichten nachkommen sollen.

(Carl-Julius Cronenberg [FDP]: Doch!)

Nein, genau das Gegenteil ist doch der Fall: Unternehmen haben durch das Lieferkettengesetz einen Vorteil gegenüber den EU-Ländern, in denen es eine solche Regelung noch nicht gibt. Sie sind vorbereitet, sie haben das Wissen, sie haben die Strukturen aufgebaut.

(Widerspruch des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Denn es ist ja klar, dass die europäische Richtlinie umgesetzt werden muss. Da kann die FDP auch noch so dagegensprechen: Dass das kommen wird, ist klar.

Ich frage mich: Was ist denn mit den Unternehmen, die die Sorgfaltspflichten seit Jahren engagiert umsetzen, die die Verbesserung in ihren Lieferketten erreicht haben, die gezeigt haben, dass es eben sehr wohl möglich ist?

(Beifall des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine Umfrage unter 680 deutschen Unternehmen aus dem Frühjahr dieses Jahres hat gezeigt, dass diese der Meinung sind, dass sich Investitionen in faire Lieferketten sehr wohl auszahlen. Denn jenseits der finanziellen Aspekte sehen viele die positiven Ergebnisse wie Umweltschutz, den Schutz von Menschenrechten, die Bekämpfung des Klimawandels oder eben auch die Risikominimierung und grundsätzliche Wettbewerbsvorteile.

Zu den Herausforderungen sagen die Unternehmen: Diese sind vor allem noch der Zugang zu Daten, unzureichende personelle Kapazitäten oder Schwierigkeiten, die Strategie zu operationalisieren. – Genau hier setzt die Bundesregierung an, indem sie umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote macht,

(Bernd Rützel [SPD]: Genau!)

mit denen die Unternehmen auf diesem Weg auch begleitet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie wirklich Bürokratie reduzieren wollen, dann – das hat der Kollege Strengmann-Kuhn ja schon gesagt – lassen Sie uns doch das Umsetzungsgesetz zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beschließen. Durch dieses Gesetz würde wirklich eine Doppelbelastung vermieden werden.

(Bernd Rützel [SPD]: Genau! Kommt sogar aus der FDP!)

– Das kommt sogar aus der FDP.

Wir reden hier nicht über ein Nice-to-have; Unternehmen müssen Menschenrechte beachten.

Vor ein paar Tagen haben wir hier im Bundestag ein Gespräch mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus Produktionsländern geführt, die uns eindringlich geschildert haben, was das deutsche Lieferkettengesetz bei ihnen positiv bewirkt hat, zum Beispiel in Kenia oder Indien, wo Gewerkschaften und Betriebsräte gestärkt werden und Arbeitnehmer/-innen durch die Beschwerdemechanismen ihre Rechte auch besser durchsetzen können.

(Bernd Rützel [SPD]: Genau!)

Sowohl das europäische als auch das deutsche Lieferkettengesetz sind dreifach gerecht: gerecht für die Arbeitnehmer/-innen, weil ihre grundlegenden Rechte geschützt werden, gerecht für Unternehmen, weil sie die gleichen Anforderungen erfüllen müssen und verantwortungsbewusste Unternehmen eben keinen Wettbewerbsnachteil erleiden, und gerecht für Verbraucher/-innen in Deutschland, weil sie sich darauf verlassen können, dass in den Produkten, die sie kaufen, keine Kinderarbeit, keine Ausbeutung und keine Umweltzerstörung steckt.

Für uns als Sozialdemokraten ist klar: Wir werden uns nicht an einer pauschalen Aussetzung eines lang erkämpften Gesetzes beteiligen, und wir werden uns weiterhin für die Umsetzung der EU-Vorgaben einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Marc Biadacz das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618781
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
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