19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 10

Katarina BarleySPD - Lobbyistenregister

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Ganz herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als abschließende Rednerin kann ich feststellen, dass wir uns in einigen Punkten einig sind, nämlich dass in unserer politischen Kultur die Vertretung von unterschiedlichen Interessen gut und richtig ist, dass wir auch darauf angewiesen sind, weil wir hier nicht in einem politischen Elfenbeinturm leben können und wollen, dass die Kontakte, die wir haben, Ausdruck einer funktionierenden Verbindung zwischen Staat, Politik und Zivilgesellschaft sind. Das wollen wir auch nicht ändern. Ich glaube, das will keiner von uns. Es ist unsere originäre Aufgabe, die verschiedenen Interessen aus dem Wahlkreis aufzunehmen und zu bündeln. Da stimme ich mit dem Kollegen Kaster absolut überein; schließlich vertreten wir die Interessen desselben Wahlkreises.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aha!)

– Ja, wir sind uns in diesem Punkt sehr einig.

Wir haben auch festgestellt, dass dann, wenn von Lobbyisten die Rede ist, viele Menschen eine unterschiedliche Auffassung haben, was darunter zu verstehen ist: Das sind die multinationalen Großkonzerne. Das sind Menschen mit viel Geld im Rücken. – Wir sind uns einig, dass es so nicht ist, sondern dass es auch NGOs, gemeinnützige Vereine, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände sind. Alle diese sind Lobbyisten, und alle diese gehören auch nach meiner Auffassung in ein Lobbyistenregister.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Vertretung der Interessen sich in den letzten Jahren zu einem eigenen Wirtschaftszweig gemausert hat, dass zusätzlich zu dem Kreis der Personen, die ein eigenes Interesse haben, auch ein immer größer werdendes Heer von Anwälten, Agenturen, Kanzleien und PR-Vertretungen Lobbyismus betreibt, teilweise mit einem gewaltigen finanziellen Budget im Hintergrund. Wir müssen gleichzeitig feststellen, dass mehr und mehr Menschen ein ungutes Gefühl beschleicht, weil politische Prozesse für sie nicht mehr nachvollziehbar sind. Manche stellen dann schon das gesamte politische System und die Demokratie infrage. Ich glaube, wir alle führen in unseren Wahlkreisen Diskussionen über CETA und TTIP. Da wird das ganz besonders deutlich.

Dieses wachsende Bedürfnis müssen wir ernst nehmen. Da hat sich seit 1972, als eine – natürlich – sozialdemokratisch geführte Regierung das bestehende Lobbyregister eingeführt hat, einiges verändert. Dem müssen wir uns stellen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür haben wir in dieser Legislaturperiode auch schon einiges getan. Wir hätten gern noch mehr getan, aber wir haben ja auch noch ein bisschen Zeit. Es ist schon erwähnt worden: Den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung haben wir neu geregelt und verschärft. Die Offenlegungspflichten für Nebentätigkeiten und Nebenverdienste von Abgeordneten wurden ausgeweitet. Eine Karenzzeitregelung für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft wurde eingeführt.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Noch nicht!)

– Ich sage ja: Wir sind auf dem Weg.

Ein Lobbyregister wäre jetzt ein weiterer Baustein. Wir unterstützen deshalb die Forderung nach einem verpflichtenden Lobbyregister. Meine Kollegin Sonja Steffen hat es schon gesagt: Da haben wir bei den Freunden von der Union noch ein dickes Brett zu bohren. Ich möchte den Appell wiederholen. Ich glaube, dass ein Lobbyregister uns allen dabei helfen würde, diesen wabernden Mythos „Lobbyismus“ ein Stück weit zu entzaubern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir den Menschen deutlich machen und offenlegen, was sich dahinter verbirgt – wie ich eingangs sagte, sind das nicht nur die multinationalen Großkonzerne und die Konzerne mit ganz viel Geld im Rücken, sondern dazu gehören auch ganz viele Verbände, gemeinnützige Organisationen und Menschen, zu denen wir alle Vertrauen haben –, dann würde dieser Kampfbegriff „Lobbyismus“ vielleicht auch ein wenig an Kraft verlieren.

Aber uns ist auch klar: Ein Lobbyregister kann nur mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit beschlossen werden. Wir brauchen da ein kräftiges Zeichen des Bundestages. Deswegen müssen wir noch ein bisschen werbend tätig werden.

An die Adresse der Linken und vor allen Dingen der Grünen möchte ich nur noch sagen: Ich würde vor übersteigerten Erwartungen an ein Lobbyregister warnen. In der Einleitung zu dem Antrag steht sinngemäß: Dadurch können wir Waffengleichheit und vollständige Transparenz herstellen. – Ich wäre da vorsichtig. Ich glaube, es ist ein Schritt, ein Baustein. Aber ein Lobbyregister wird die Versuche der unlauteren Einflussnahme auf die Politik nicht verhindern. Es wird auch nicht für ein Gleichgewicht bei den finanziellen Möglichkeiten der Interessenvertretungen sorgen.

Wie wir einen fairen Zugang unterschiedlicher Interessen zum Gesetzgebungsprozess gewährleisten, bleibt am Ende vor allen Dingen, glaube ich, eine Frage der Haltung, und zwar unserer ganz persönlichen Haltung. Wir als Abgeordnete müssen durch unser Handeln sowohl hier im Hohen Hause als auch in den Wahlkreisen deutlich machen, dass wir unsere Aufgabe sehr ernst nehmen, dass wir alle Interessen aufnehmen und abwägen. Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nur jeder selber arbeiten.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4775554
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Lobbyistenregister
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