Matthias BartkeSPD - Lobbyregistergesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine späte Stunde, aber es ist eine große Stunde für die deutsche Sozialdemokratie.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Seit mehr als zehn Jahren fordern wir ein effektives und verbindliches Lobbyregister, und heute ist der Tag, an dem wir sagen können: Wir haben es erreicht.
(Beifall bei der SPD)
Erstmalig müssen sich Lobbyisten in ein Register beim Deutschen Bundestag eintragen. Sie müssen darin Auskunft geben über ihre Tätigkeit, ihre Vorhaben, ihre Auftraggeber und ihre finanziellen Aufwendungen. Sie müssen einen verbindlichen Verhaltenskodex annehmen, der Grundsätze integrer Interessenvertretung vorsieht. Verstöße gegen die Registrierungspflicht werden mit einem Bußgeld geahndet. Verstöße gegen den Verhaltenskodex werden im Register veröffentlicht. Im Register wird ebenfalls veröffentlicht, wer sich weigert, Finanzangaben zu machen. Dadurch schaffen wir eine öffentlich einsehbare schwarze Liste, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, trifft die Lobbyisten hart. Als zusätzliche Sanktion bekommen dann Lobbyisten keinen Hausausweis, und sie werden nicht zu öffentlichen Anhörungen eingeladen. Das, Herr Buschmann, ist eine zusätzliche Sanktion und keineswegs die härteste. Und wenn Sie gleich reden, erzählen Sie nicht wieder was Falsches, so wie letztes Mal. Ich sage Ihnen: lieber gar nicht reden als schlecht reden.
(Beifall bei der SPD – Michael Theurer [FDP]: Dann kommen Sie jetzt besser zum Schluss, Herr Kollege!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einige Ausnahmen für Organisationen und Personen, die sich nicht registrieren lassen müssen. Das hängt mit dem Regel-Ausnahme-Prinzip des Gesetzes zusammen; der Kollege Schnieder hat es eben erläutert. Es hat nämlich einen sehr breiten Anwendungsbereich. Interessenvertretung ist nach § 1 des Gesetzes – ich zitiere – jede Kontaktaufnahme „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme“ auf Bundestag oder Bundesregierung. Das ist eine sehr, sehr weite Definition.
Aber natürlich soll und kann nicht jede Einflussnahme eine registrierungspflichtige Lobbytätigkeit sein, und deswegen sind die Ausnahmen nötig. Denn natürlich ist es nicht registrierungspflichtig, wenn Bürgerinnen und Bürger gegenüber Abgeordneten nur persönliche Interessen formulieren oder wenn sie eine Petition einreichen oder sie ein öffentliches Mandat wahrnehmen oder, oder, oder. Wir haben alle Ausnahmen im Gesetz zusammengefasst. Und das sind natürlich einige; das liegt einfach in der Natur der Sache.
Eine Ausnahmeregelung will ich hier erläutern, weil ich glaube, dass sie erläuterungsbedürftig ist. Sie betrifft Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Ausnahme muss sein; das hat auch die Sachverständigenanhörung ergeben. Denn Artikel 9 unseres Grundgesetzes gewährt die Koalitionsfreiheit, und zwar schrankenlos. Die Privilegierung für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gilt allerdings nur, soweit sie zur Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beitragen; denn nur das wird vom Grundgesetz privilegiert. Für das Lobbyregister heißt das, dass auch nur das eine Ausnahme rechtfertigt. Wenn Gewerkschaften sich beispielsweise für die Sterbehilfe einsetzen oder Arbeitgeber für die Organspende, dann hat das nichts mit der Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu tun,
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Müssen sie sich dann registrieren, Herr Bartke? Erklären Sie uns das mal!)
und dann begründet das keine Ausnahme mehr. Und dann müssen sie sich genauso registrieren lassen wie alle anderen Lobbyisten auch.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wie soll das denn gehen? DGB 1 und 2? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht im Gesetz!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hier vorliegende Lobbyregistergesetz ist ein wirklich gelungenes Gesetz. Dennoch gibt es einen erheblichen Wermutstropfen: Das ist der fehlende exekutive Fußabdruck. Unter „exekutivem Fußabdruck“ versteht man die Veröffentlichung aller Lobbyistenkontakte und aller Lobbyistenstellungnahmen; das muss jedem Gesetz beigefügt werden. Die SPD wollte das, und ich sage Ihnen hier ganz offen: Wir haben es nicht durchbekommen.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit der Union war das auf Teufel komm raus nicht zu machen. Offen gestanden: Ich hatte gehofft, dass die Vorkommnisse der letzten Wochen dazu beitragen, dass die Union ihre Verweigerungshaltung überdenkt, dass sie sich doch zu mehr Transparenz bekennt. Das war leider eine vergebliche Hoffnung.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden nicht lockerlassen. Ich sage Ihnen: Die erste Amtshandlung des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN)
wird die Einführung des exekutiven Fußabdrucks sein.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Na, dann kann er ja noch warten!)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bartke. Aber auch ein potenzieller Bundeskanzler Scholz kann das nicht einführen, sondern das ist immer noch Aufgabe der Regierung insgesamt oder des Deutschen Bundestages.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau! Aber eine schöne Rede!)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marco Buschmann, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 218 |
Agenda Item | Lobbyregistergesetz |