08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 9

Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir debattieren heute den Antrag der Koalition mit dem Titel „Mehr Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen sicherstellen“. Bereits in unserem Koalitionsvertrag haben wir hierzu festgehalten:

So weit der Koalitionsvertrag. – Heute liefern wir. Mit unserem Antrag wollen wir genau dies umsetzen. Erst vor einigen Wochen haben wir über den Rüstungsexportbericht 2012 diskutiert – zugegebenermaßen etwas spät; aber Sie wissen, dass es durch die Bundestagswahl und die Regierungsbildung zu einer Verzögerung kam. Das wollen wir in Zukunft zügiger machen.

Der Rüstungsexportbericht soll zukünftig vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause des Folgejahres veröffentlicht werden. Zusätzlich hat die Bundesregierung im Herbst eines jeden Jahres einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres zu veröffentlichen. Das macht die parlamentarische Nachkontrolle dichter und erhöht die Transparenz.

Darüber hinaus soll der Bundestag über abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach Tagung des Bundessicherheitsrates, schriftlich unterrichtet werden.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann tagt er denn?)

In dieser Unterrichtung sollen tabellarisch folgende Informationen aufgelistet werden: die Art des Exportgutes, die Anzahl der genehmigten Güter und das Endempfängerland. Die Unterrichtung geht an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Dieser wiederum wird die Unterrichtung als Ausschussdrucksache an seine Mitglieder sowie an die mitberatenden Ausschüsse entsprechend der Ressortbesetzung des Bundessicherheitsrates weiterleiten. Dazu zählen der Auswärtige Ausschuss, der Innenausschuss, der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Haushalts-, der Finanz- und der Verteidigungsausschuss sowie der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es soll also eine sehr breite und sehr frühe Information über ein Thema, das in der Öffentlichkeit nicht ganz einfach zu handhaben ist, zur Verfügung gestellt werden, wobei wir immer darauf achten müssen, dass wir die Interessen Deutschlands und die Firmeninteressen gleichermaßen wahren. Es gilt aber auch, die Interessen von Partnerländern, die Gegenstand von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates sind, zu wahren.

Der gelegentlich genährten Vermutung, dass alles leichtfertig geschehe, will ich entgegnen, dass das ganz und gar nicht der Fall ist. Der Rüstungsexportpolitik liegen, wie schon genannt, die Politischen Grundsätze vom 19. Januar 2000 zugrunde, damals unter Rot-Grün verabschiedet. Jede Rüstungsexportentscheidung ist eine Einzelfallentscheidung. Gemäß dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung ist die Ausfuhr aller Rüstungsgüter genehmigungspflichtig. Die Prüfung und die Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegen dem Bundessicherheitsrat, dessen Zusammensetzung ich vorhin schon angesprochen habe.

Bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung handelt es sich also nicht um einen formellen Akt. Es gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung. Jeder Einzelfall wird im Lichte der zugrunde liegenden Gesetze und Vereinbarungen geprüft: zum Ersten des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, zum Zweiten des Außenwirtschaftsgesetzes über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Wirtschaftsgütern, zum Dritten des Verhaltenskodexes der Europäischen Union für Waffenausfuhren und der Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen der OSZE. Wir sind also in ein dichtes Geflecht gegenseitiger Verbindlichkeiten und Verpflichtungen eingetreten und orientieren uns daran.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gegenseitige Bestechung!)

Eine herausragende Bedeutung für die Genehmigung von Rüstungsgütern ist die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland. Rüstungsexporte werden grundsätzlich nicht genehmigt, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass damit interne Repressionen oder sonstige Menschenrechtsverletzungen ausgeübt werden.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Willsch! Da wird grundsätzlich genehmigt, auch wenn Menschenrechte verletzt werden! Mein Gott!)

Der Export an Nicht-EU-, Nicht-NATO-Staaten wird äußerst restriktiv gehandhabt. Eine Genehmigung wird nur in Ausnahmefällen erteilt.

Im Rahmen dieser restriktiven Genehmigungspraxis für Drittländer können natürlich – und das ist notwendig – legitime Sicherheitsinteressen solcher Länder im Einzelfall für die Genehmigung einer Ausfuhr sprechen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die jeweiligen Sicherheitsinteressen auch international von Belang sind, beispielsweise bei der Abwehr terroristischer Bedrohungen oder der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels. Gerade bei Marinegütern ist vor dem Export in Drittländer zu prüfen, ob ein Interesse der Staatengemeinschaft an sicheren Seewegen vorliegt und ob eine effektive Ausübung der jeweiligen Staatsgewalt in den Küstengewässern als wichtiger Aspekt angesehen werden kann. Gerade wir als Nation, die auf den Welthandel ausgesprochen angewiesen ist und die davon profitiert, haben ein hohes Interesse daran, dass der Welthandel funktioniert.

Es gibt eine ganze Reihe von Waffenembargos; beispielsweise sind Waffenlieferungen nach Syrien ausgeschlossen. Aber es gibt auch nicht nachvollziehbare No- Gos. Dass Taiwan von uns keine Waffen bekommen kann, die USA aber gleichwohl dorthin liefern, ist schon fast absurd. Taiwan, der Leuchtturm der Demokratie im asiatischen Bereich, hätte das gleiche Schicksal ereilt wie andere Länder, zum Beispiel Tibet, wenn es nicht in der Lage gewesen wäre, sich zu verteidigen.

Unsere Rüstungsexportpolitik hat auch in Betracht zu ziehen, dass wir in diesem Bereich eine wettbewerbsfähige Industrie haben, die hervorragende Güter hervorbringt, und dass wir mit unserer reduzierten Bundeswehr selbst nicht mehr für den nötigen Umsatz sorgen können. Auch viele Partnerländer innerhalb der NATO und der EU können nicht mehr die erforderlichen Beiträge für die Landesverteidigung aufbringen. Damit sind Märkte weggebrochen. Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie wir unsere technologischen Fähigkeiten erhalten können, um in dieser Kernfunktion des Staates nicht von Dritten abhängig zu sein.

Schauen Sie sich die Lage in der Ukraine an, die wir momentan alle mit Sorge und gespannter Aufmerksamkeit verfolgen. Sie hat bereits dazu geführt, dass Schweden angekündigt hat, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Keul akzeptieren?

Jederzeit gerne.

Echt? – Gut.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Willsch. Sehr großzügig! – Wenn ich die Gründe rekapituliere, die Ihrer Meinung nach für Rüstungsexporte sprechen – Sie haben sie gerade aufgezählt: vom Kampf gegen Terrorismus über Selbstverteidigung bis hin zu wirtschaftlichen Gründen –, möchte ich Sie fragen: Fällt Ihnen irgendein Ort auf dieser Welt ein, an den man nach diesen Kriterien nicht liefern würde?

Dazu fallen mir natürlich Orte ein, Frau Kollegin. Wichtig ist, dass sich die Waffen, die wir liefern, nicht gegen uns selbst oder gegen unsere Verbündeten richten sollen und dürfen. Wichtig ist, dass wir nicht an Staaten liefern, die im Verdacht stehen, als Zwischenhändler aufzutreten, die Sachen also weiterzuleiten.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte gerne ein Beispiel!)

Damit ist der Bogen geschlagen. Das macht deutlich, dass es neben den Ländern, in die wir aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen nach sorgfältiger Prüfung liefern, jede Menge Länder gibt, die dafür nicht in Betracht kommen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches denn? Ein Beispiel! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie doch einmal eines!)

Danke für die Frage.

Lassen Sie mich meinen Gedanken zum Thema Rüstungsbereitschaft bzw. Verteidigungsbereitschaft zu Ende führen. Fogh Rasmussen hat zu Recht gesagt: Angesichts des Nichtfunktionierens des Schutzversprechens, das die Ukraine 1994 im Budapester Memorandum erhalten hat, müssen wir uns überlegen, ob die Idee vom ewigen Frieden vielleicht eine Illusion war. Er hat gesagt, dass wir die Bereitschaft, das eigene Land zu verteidigen, mit entsprechender Technologie und entsprechender Ausrüstung unterlegen müssen. Fast alle Mitgliedstaaten der NATO sind – leider – weit davon entfernt, die eingegangene Selbstverpflichtung, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Ausgaben für die Verteidigung bereitzustellen, zu erfüllen. Auch wir geben dafür zu wenig aus.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Transparenz bei Rüstungsexporten!)

Ich denke, wir sollten die krisenhafte Zuspitzung, die wir in Europa gegenwärtig erleben, zum Anlass nehmen – auch mit Blick auf Länder, die erst später der NATO beigetreten sind und vielleicht darüber nachdenken, ob das NATO-Schutzversprechen wirklich für alle gleichermaßen gilt –, die notwendigen Mittel in diesem Bereich aufzuwenden. Es gilt der alte Grundsatz: Jedes Land hat eine Armee in seinem Land, entweder die eigene oder eine fremde.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist Jan van Aken für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3391339
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen
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