Ewald SchurerSPD - Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte macht deutlich – die Ministerin hat die Zahlen genannt: 121,9 Milliarden Euro und 41 Prozent des gesamten Haushaltes –, dass der Haushalt für Arbeit und Soziales das Herzstück des Bundeshaushaltes ist.
Herr Kollege Strengmann-Kuhn, es wäre schön, wenn sich die Debattenbeiträge von Regierungsfraktionen und Opposition inhaltlich so weit decken würden, sodass man sagen kann: Wir sprechen über das gleiche Thema.
Für uns als Haushälterinnen und Haushälter ist es eine riesige Aufgabe, einen gesellschaftlichen Diskurs über die gesellschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung von Armut zu führen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen durch Beruf und Ausbildung gesellschaftlich zu integrieren. Das ist des Pudels Kern auch in einer solchen Debatte. Man darf sich hier nicht hinter Zahlen verstecken.
Ich finde, die Opposition läuft quasi unter der Latte durch, wenn sie hier per se sagt, dass diese Regierung hinsichtlich der Bekämpfung von Armut nichts leistet. Das stimmt einfach nicht. Fakt ist, dass die Erwerbsminderungsrente, die wir im Rahmen des Rentenpakets erhöht haben – wir haben das in der ersten Lesung schon durchdekliniert –, einen manifesten Bestandteil der Bekämpfung von Armut darstellt. Fakt ist – der Kollege Ernst hat die Daten vielleicht übersehen –, dass wir bei der Ausstattung der Jobcenter – vier mal 350 Millionen Euro – den Trend, den Schwarz-Gelb eingeleitet hat, wieder umdrehen, um in die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit mehr Substanz hineinzubekommen, um besser individuell fördern zu können. Fakt ist auch – wir reden noch darüber –, dass der Mindestlohn ein großes Projekt ist, um die in diesem Land seit den 90er-Jahren auf dem Arbeitsmarkt entstandenen Verwerfungen – Stärkung des Niedriglohnsektors – zu bekämpfen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist mehr als eine Höflichkeitsformel, wenn ich sage – der Kollege Fischer hat das schon gesagt; auch der Kollegin Deligöz, der Hauptberichterstatterin, möchte ich dafür danken –, dass wir eine sehr gute fachliche Diskussion geführt haben. Das ist die Grundlage für gute Inhalte. Dem Haus und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zu danken; denn mit dem Rentenpaket und der Mindestlohngesetzgebung mussten zwei Megajobs erledigt werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das gelungen ist. Deshalb gilt mein Dank und meine Anerkennung – über die Höflichkeit hinaus – dem Haus A & S für diese wirklich großartige Arbeit in den letzten Monaten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Haushalt wurde skizziert. Er ist in der Tat das Herzstück des Bundeshaushalts und hat eine wichtige Funktion. Man spricht in diesem Zusammenhang nicht nur über die Rente und nicht nur über den Mindestlohn, sondern man spricht auch über integrale, große Bestandteile einer Volkswirtschaft. Sozialsysteme – das habe ich in der ersten Lesung schon gesagt – sind keine isolierten Bestandteile der makroökonomischen, der volkswirtschaftlichen Entwicklung, sondern sie tragen in manifester Form durch ausgeschüttete Beiträge, die zum Teil selbst erarbeitet wurden und zum Teil aus Steuerzuschüssen resultieren, zur Wertschöpfung einer Volkswirtschaft bei. In Form von Kaufkraft, Ausgaben und Beschäftigung sind Sozialbeiträge immer integraler Bestandteil wirtschaftlichen Handelns. Das muss man einfach einmal so sehen.
Wir haben zwei große Schwerpunkte. Mit 88,4 Milliarden Euro – inkludiert sind die neuen Ausgaben, die aus dem Rentenpaket resultieren – sind die Zuschüsse an die Rentenversicherung natürlich dominierend. Es gibt einen zweiten großen Block: 31,2 Milliarden Euro für die Arbeitsmarktförderung. Das sind in diesem Haushalt natürlich die größten Posten. Es gibt weitere kleinere Posten wie die Gelder für die Kriegsopferfürsorge und dergleichen mehr, die auch wichtig sind.
Mir ist es wichtig, dass wir im Zusammenhang mit der Armut-Reichtum-Debatte auch über die Kommunen reden, die Träger vieler sozialer Leistungen sind. Wir wissen aus der aktuellen Presseberichterstattung, dass die Kommunen in wirtschaftlich schwierigen Gebieten mit steigenden Sozialkosten kämpfen, weil dort mehr Menschen desintegriert sind. Es gibt reichere Gegenden im Land, und es gibt Gegenden, die große ökonomische Probleme haben, also mit Folgelasten zu kämpfen haben. Es ist wichtig, dass der Bund 2014 100 Prozent der Kosten für die Grundsicherung im Alter übernimmt. Auch das ist eine Form der Armutsbekämpfung – über die Kommunen, die ein wichtiges Gebilde im Staat sind. Wir haben über 12 000 Kommunen in Deutschland vorzuweisen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Im Sinne einer Zwischenlösung erhalten die Kommunen ab 2015, also ab dem nächsten Jahr, bis 2017 jährlich 1 Milliarde Euro, und spätestens 2018 – mir wäre 2017 lieber – werden wir durch ein Bundesteilhabegesetz mit einer manifesten inhaltlichen Bindung – Inklusion – in der Lage sein, mit 5 Milliarden Euro im Interesse der Menschen massiv gegenzusteuern. Ich weiß, dass das ein sehr anspruchsvolles Vorhaben des Ministeriums ist. Mit dem Bundesteilhabegesetz haben wir ein anspruchsvolles Gesetz zu gestalten, durch das das Zeitalter der Integration überführt wird in das Zeitalter der Inklusion.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür reicht aber ein Gesetz nicht!)
Dieser Prozess wird noch andauern. 2015 werden wir, glaube ich, eine erste Vorlage erhalten. Auf dieser Grundlage können wir dann über den Inklusionsprozess diskutieren. Das ist ganz wichtig.
Das Programm MobiPro ist schon genannt worden. Darauf will ich jetzt nicht mehr ausführlich eingehen, da der Kollege Axel Fischer dazu bereits Ausführungen gemacht hat. Herzlichen Dank dafür.
Wir als Haushälter haben unter Zuhilfenahme eurer fachpolitischen Intuitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mittel auf fast 100 Millionen Euro verdoppelt. Es gibt jetzt 96,1 Millionen Euro für diesen so wichtigen Bereich. Ich würde mir bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit von der Europäischen Union manchmal die gleiche Eloquenz und Durchsetzungsfähigkeit beim Auf-die-Strecke-Bringen von Programmen wünschen, die wir an den Tag gelegt haben. Das ist ein kleiner Baustein zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Perspektivlosigkeit junger Menschen aus europäischen Nachbarländern; aber er hat eine hohe Symbolik nicht nur für die Betroffenen, sondern eben auch für unsere Wirtschaft, die in manchen Regionen zum Teil an einem Mangel auszubildender junger Menschen leidet. Egal, ob die jungen Menschen bei uns bleiben oder vielleicht mit einer Berufsausbildung nach Spanien, Griechenland oder in andere Länder zurückgehen und dort neue Arbeitsplätze schaffen: Es ist ein tolles Programm!
(Beifall bei der SPD)
Die Sprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind schon genannt worden.
Zum Schluss komme ich, Frau Präsidentin, noch in aller Kürze zum Mindestlohn. Dabei handelt es sich um ein sehr großes Reformprojekt; denn es werden 5 Millionen Einkommen im Lande erhöht. Die Betroffenen leben schließlich davon. Man muss sich das einmal vorstellen: Wir reden nicht nur über eine nackte Zahl, sondern 5 Millionen Existenzen – sehr oft handelt es sich um Frauen – werden über den Mindestlohn künftig in der Gesellschaft deutlich besser abgesichert sein. Die Folgewirkungen: Es gibt mehr Steuern, mehr Sozialabgaben, mehr Kaufkraft und mehr Binnenkonjunktur. Das wird sich positiv auswirken.
Von daher kann ich sagen: Liebe Freundinnen und Freunde von den Grünen und von der Linkspartei, es ist euer größter Fehler – den habt ihr heute wieder einmal gemacht –, das Mindestlohngesetz zu unterschätzen und so zu tun, als wenn das nicht ein manifester Beitrag zur Bekämpfung von Armut in der Gesellschaft sei.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wer sagt denn das?)
Lasst euch nicht so sehr vom Kurs der Stiftung neue oder alte Soziale Marktwirtschaft beeinflussen. Ihr müsst einen neuen Kurs finden, mit dem ihr euch identifizieren könnt. Das vermisse ich bei euch.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin empört!)
Ich sage nur: Der Mindestlohn, das ist eine tolle Geschichte.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe den Mindestlohn schon früher gefordert als die meisten von euch!)
Er stellt eine Zeitenwende, eine Kulturwende mit dem Ziel dar, dass Menschen auskömmlich und würdevoll von ihrer Arbeit leben können. Sie sollen in der Lage sein, selbstbewusst an dieser Gesellschaft zu partizipieren.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächster Redner hat Matthias W. Birkwald das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3563523 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |