Axel KnoerigCDU/CSU - System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Meisterbrief ist das Gütesiegel unseres Handwerks. Er steht für erfolgreiche Tradition und höchste fachliche Qualität. Diese besondere berufliche Qualifikation ist einzigartig in der Welt. Auf dem Meistertitel beruht der wirtschaftliche Erfolg vieler mittelständischer Betriebe, die ja bekanntlich das Rückgrat unserer Wirtschaft bildet. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 1 Million Handwerksfirmen. Die meisten von ihnen sind kleine Unternehmen und haben maximal vier bis acht Mitarbeiter. Als Beispiel nenne ich meinen Wahlkreis Diepholz/Nienburg. Dort gibt es etwa 2 000 Handwerksbetriebe, die rund 10 000 Menschen beschäftigen. Gerade in unserer ländlichen Region kommt dem Handwerk damit eine erhebliche Bedeutung zu, zum einen in der Sicherung von Arbeitsplätzen, zum anderen in der beruflichen Bildung; denn ein Drittel unserer heimischen Auszubildenden erlernen ihren Beruf in Handwerksbetrieben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insgesamt hat das deutsche Handwerk im vergangenen Jahr über 500 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Betriebe haben rund 5 Millionen Menschen einen Arbeitsplatz gegeben. Dazu gehören 380 000 Lehrstellen. Die Ausbildungsquote ist mit 8 Prozent doppelt so hoch wie in der gesamten Wirtschaft. Damit trägt das Handwerk maßgeblich dazu bei, dass wir die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa verzeichnen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!)
Die niedrige Quote von 7,5 Prozent kommt auch dadurch zustande, dass die duale Ausbildung häufig eine anschließende Übernahme in den Betrieb ermöglicht. Auf diese Weise leistet unser Handwerk einen ganz wesentlichen Beitrag zur Fachkräftesicherung in unserem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dafür, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liefert der Meisterbrief die Grundlage.
Wir müssen uns fragen: Warum ist der Meisterbrief so erfolgreich? Lassen Sie uns bitte einen kurzen Rückblick in die Geschichte werfen: Im 19. Jahrhundert wurde die Gewerbefreiheit eingeführt und damit auch eine staatliche Regelung der Handwerkerausbildung. Gleichzeitig gründeten sich die Innungen als Interessenvertretungen der verschiedenen Handwerksberufe. Mit dieser frühen Organisation wurde ein einmaliges Aus- und Weiterbildungsmodell geschaffen, das noch heute als zukunfts- und krisensicher gilt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch hier muss die Frage gestellt werden: Warum ist das so? Weil sich dieses Modell ständig den aktuellen Entwicklungen des Arbeitsmarktes anpasst und weil es in der Abstimmung von Berufskammern, Tarifpartnern und Politik laufend modernisiert wird. Dabei gilt es, das richtige Verhältnis zwischen Tradition und Moderne, aber auch zwischen Theorie und Praxis zu erwähnen. Heute wie damals basiert die Meisterqualifikation auf zwei Pfeilern:
Erstens. Grundvoraussetzung ist eine duale Berufsausbildung mit abschließender Gesellenprüfung. Inzwischen wird auch eine erfolgreiche Abschlussprüfung in einem ähnlichen Ausbildungsberuf anerkannt.
Zweitens. Wer die Meisterprüfung bestanden hat, wird in die Handwerksrolle eingetragen. Nur dann ist man berechtigt, als selbstständiger Unternehmer einen Handwerksbetrieb zu führen. Einzig die Meister dürfen in ihrem Beruf den Nachwuchs ausbilden. Ganz wichtig dabei ist auch, dass die Meister aufgrund dieser pädagogischen Erfahrungen und der gesammelten Kenntnisse auch als Berufsschullehrer bestens geeignet sind.
Diese strenge Reglementierung beim Berufszugang dient von jeher einem Ziel, und zwar der Sicherung der Qualität und damit der Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Handwerksnovelle von 2003 wurde der Berufszugang jedoch gelockert. Die rot-grüne Bundesregierung erhoffte sich davon mehr Unternehmensgründungen. Über die Hälfte der zulassungspflichtigen Gewerke wurde daher als zulassungsfrei eingestuft. Seither kann man diese Handwerksbetriebe auch ohne Meisterbrief führen.
Meine Damen und Herren, wir müssen heute leider festhalten, dass diese Liberalisierung unserem Handwerk eher geschadet hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Denn Fakt ist: In den vergangenen elf Jahren wurden Handwerksberufe erster und zweiter Klasse geschaffen. Wie die Zahlen belegen, sind Neugründungen ohne Meisterbrief relativ schnell insolvent: Schon zwei Jahre nach dem Start in die Selbstständigkeit gibt es deutlich mehr Registerlöschungen als bei den Meisterbetrieben. Insofern hat Rot-Grün genau das Gegenteil vom damaligen Ziel erreicht: Gefördert wurden Einmannbetriebe, die als Unternehmen nicht ausreichend qualifiziert sind. Genauso wenig tragen diese zur Nachwuchssicherung im Handwerk bei; denn 95 Prozent der Lehrlinge werden in den zulassungspflichtigen Berufen ausgebildet.
Die Union hat dagegen in ihrer Bildungspolitik Schwerpunkte gesetzt, die gerade unserem Handwerk zugutekommen: So haben wir uns bereits in der letzten Wahlperiode dafür eingesetzt, die berufliche und akademische Bildung besser vergleichbar zu machen. Dazu wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen eingeführt. Dieses Einstufungssystem ermöglicht einen objektiven Vergleich der verschiedenen Berufs- und Studienabschlüsse. Der Meisterbrief ist hier auf Niveau 6 eingestuft, genau wie der akademische Grad des Bachelors. Damit wurde die Meisterprüfung als Berufsqualifikation sichtbar aufgewertet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit Anfang dieses Jahres ist die Meisterqualifikation auch im europäischen Qualifikationsrahmen der Stufe 6 zugeordnet. Hiermit haben wir ebenfalls eine erhebliche Aufwertung des deutschen Meisterbriefes in Europa erzielt.
Immer wieder gibt es Bestrebungen, die duale Ausbildung zu reformieren und damit die solide Basis für die Meisterqualifikation infrage zu stellen, und dem ist entgegenzuwirken. Von meiner Kollegin Lena Strothmann ist heute schon einmal der Münchener Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin zitiert worden. Er hat ein Buch veröffentlicht mit dem Titel Der Akademisierungswahn – Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung. Darin warnt er davor, die berufliche Bildung allzu wissenschaftlich zu gestalten. Die duale Ausbildung sollte praxisorientiert zwischen Betrieb und Berufsschule eingebunden bleiben.
(Lena Strothmann [CDU/CSU]: Recht hat er!)
Schließlich beruht der Schwerpunkt auf dem Berufsalltag – und nur so kann die Qualität dieses erfolgreichen Bildungsmodells langfristig gehalten werden.
Die Grünen haben in der letzten Wahlperiode gefordert, das duale Ausbildungssystem um eine weitere Komponente zu ergänzen.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
DualPlus – so haben Sie das genannt; ich will das gar nicht als Konzept bezeichnen – bedeutete eigentlich nur mehr bürokratischen Aufwand. Die Grünen wollten neben Betrieb und Berufsschule noch eine weitere überbetriebliche Einrichtung an der Ausbildung beteiligen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Die Betriebe sollten sogar Träger dieser Einrichtung werden.
Da, meine Damen und Herren von den Grünen, ist, denke ich, auch die Sicht von Verbänden wie IHK und ZDH maßgeblich; denn die haben damals überhaupt keinen Reformbedarf gesehen. Wieso auch? Warum sollte man dieses gut funktionierende Modell aus betrieblicher Praxis und begleitender Theorie aus dem Gleichgewicht bringen?
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es aber schon noch ein paar Lücken!)
Es ist doch so: Wenn man die Zuständigkeit, zum Beispiel für Praktika, an überbetriebliche Ausbildungsstätten überträgt, dann werden doch die Betriebe aus der Verantwortung gedrängt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist es!)
Doch gerade ihre intensive Beteiligung sichert die praxisnahe und am Arbeitsmarkt orientierte Ausbildung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, wir müssen nicht an etwas herumdoktern, was bereits bestens funktioniert. Genau deshalb ist unser Bildungssystem ja in aller Welt hochangesehen. Insbesondere seit der Wirtschafts- und Finanzkrise dient es in Europa sogar als Vorbild: Zahlreiche Länder der Europäischen Union sind bemüht, die besonderen Vorzüge der dualen Ausbildung in Deutschland nachzuahmen. So soll die hohe Jugendarbeitslosigkeit, zum Beispiel in Spanien, bekämpft werden. 38 000 junge Spanier und Griechen haben über die Bildungskooperation in Deutschland schon einen Ausbildungsplatz bekommen. Auch mit Italien wurde solch eine Vereinbarung getroffen. Seit 2012 unterstützt Deutschland bereits mehrere Länder mit Kooperationen zur Berufsbildung. Ich denke, das ist eine gute Grundlage, um die Zukunftschancen junger Menschen in ganz Europa zu verbessern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Aufstiegsmöglichkeit zum Meister wird seit Jahren konstant genutzt: 2013 wurden über 23 000 Meisterprüfungen erfolgreich abgelegt. Es ist erfreulich, dass der Frauenanteil mittlerweile auf 20 Prozent gestiegen ist. Der Bund unterstützt diese Fortbildung mit dem sogenannten Meister-BAföG. Seit dem Start im Jahr 2008 ist die Zahl der Antragsteller kontinuierlich gestiegen – auf nunmehr rund 170 000. Die Förderzusagen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 576 Millionen Euro.
Genauso wie in der akademischen Bildung wollen wir auch in der beruflichen Bildung Karrieren fördern. Daher werden wir die Leistungen beim Meister-BAföG, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben, weiter verbessern. Ähnlich wie beim BAföG für Studierende sollen auch Meister mit guten Noten bei den Rückzahlungen entlastet werden.
In vielerlei Hinsicht haben wir berufliche und akademische Bildung damit schon gleichgestellt. Doch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wäre es nicht eine logische Konsequenz, die Meisterqualifikation genau wie das Studium nun kostenfrei anzubieten? Das wäre, denke ich, ein weiterer bedeutender Beitrag zur Qualitätssicherung im Handwerk und in der dualen Ausbildung.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nun erhält die Kollegin Kerstin Andreae das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4224778 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe |