Jürgen HardtCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede als neuer außenpolitischer Sprecher meiner Fraktion sagen, dass ich gerne, auch im Namen der Außenpolitiker der Union, die Tradition meiner Vorgänger fortführe und den konstruktiven Dialog innerhalb der Koalition, mit der Regierung, aber natürlich auch mit der Opposition suche. Es ist ein echtes Asset der deutschen Außenpolitik, dass wir in ganz vielen Fragen bzw. in den großen Fragen einen weit über die Parteigrenzen hinausgehenden Konsens haben. Damit können wir für unser Land, für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber eben auch in der Weltgemeinschaft mehr erreichen, als wenn wir uns aus ideologischen Gründen streiten. In diesem Sinne, glaube ich, sollten wir die Arbeit hier in diesem Hause fortsetzen. Dass wir den Weltkommunismus in unsere Überlegungen zur Lösung der Konflikte auf dieser Erde möglicherweise nicht einbeziehen, Herr Gehrcke, werden Sie mir nachsehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Der Beitrag des Weltkommunismus zum Weltfrieden ist vergleichsweise gering, wenn man ihn allein daran misst, was die Bundesregierung zu leisten in der Lage ist.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es ehrt mich, wenn ich der Vertreter des Weltkommunismus bin!)
Wir sprechen in diesen Tagen viel über die Symptome der Erschütterungen der Welt in Form von Flüchtlingen, die bei uns anlanden, zu uns kommen und Hilfe suchen. Wir reden auch über die großartigen Leistungen, die dabei erbracht werden: von Beamten, von Angestellten, von zivilen Hilfskräften, aber auch von ganz vielen Ehrenamtlichen. Sache der Außenpolitik ist es, sich den Ursachen zuzuwenden. Was die Ursachen der Flucht angeht, sind der IS-Terror, die religiös verbrämte Bewegung IS und alle, die ihr in Zentralafrika, im Norden Afrikas und in anderen Ländern der Welt nacheifern, natürlich ein entscheidender Punkt. Ich möchte zum deutschen Beitrag im Kampf gegen den IS nur sagen: Wir leisten mit unserer Ausrüstungs- und Ausbildungsunterstützung für die kurdischen Peschmerga im Norden Iraks einen hervorragenden Beitrag. Er wird allgemein anerkannt. Es ist auch keine kleine Sache, mit Soldaten dort vor Ort zu sein und diese Hilfe zu leisten.
Dem einen oder anderen, der darauf hinweist, dass andere Staaten Luftschläge gegen IS-Stellungen, von denen Bedrohungen für den Irak ausgehen, durchführen, sage ich: Deutschland fährt gut mit der Maßnahme, die wir dort ergreifen, nämlich mit der Ausbildungs- und Ausrüstungsunterstützung. Für den Fall, dass die Regierung zu dem Ergebnis kommt, vielleicht mehr tun zu müssen, wird sich der Bundestag sicherlich offen zeigen, darüber zu reden. Aber ich denke, dass es bei der Unterstützung der kurdischen Peschmerga bleiben sollte und dies unser großer und zentraler Beitrag ist.
Weitere Fluchtursachen, die mittel- und langfristig anzupacken sind, sind Dürre, Hunger und Armut in der Welt, ausgelöst durch schlechte Regierungen, aber auch ausgelöst durch Klimaveränderungen.
Es gibt ein großes Projekt, Herr Außenminister, das in diesem Jahr nicht nur, aber auch ein außenpolitisches Thema ist: Wir müssen uns bemühen, den Pariser UN-Klimagipfel zu einem Erfolg zu führen. Denn dann sind wir in der Lage, einen Beitrag zu leisten, die Fluchtursachen, insbesondere was Afrika angeht, mittel- und langfristig zurückzudrängen. Ich kann Sie nur unterstützen und ermutigen, alles zu tun, um hier zu einem Erfolg zu kommen. Die Situation sieht ja besser aus, als es der eine oder andere vielleicht noch vor einem Jahr erwartet hat.
Auch wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl dafür geben wollen, dass wir mit der außenpolitischen Aufgabe der Bekämpfung der Fluchtursachen verantwortungsvoll umgehen, werden wir ihnen natürlich nicht für jedes Problem eine Lösung servieren können. Aber wir können ihnen sagen, nach welchen Prinzipien wir unsere Außenpolitik ausrichten. Ich glaube, das erste Prinzip, das man nennen muss, lautet: Deutschland hält sich an Recht und Gesetz im Rahmen der Völkergemeinschaft und im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen. Das schließt allerdings auch ein, dass wir an der Weiterentwicklung der Völkerrechtsordnung und der Vereinten Nationen aktiv mitwirken. Deutschland ist bereit, in einem zu reformierenden UN-Sicherheitsrat Verantwortung zu übernehmen.
Ein Kollege hat es schon angesprochen: Wir würden uns wünschen, dass es zumindest gelingt, auf der Basis einer freiwilligen Erklärung von den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates die Zusage zu bekommen, dass sie ihr Veto dann nicht einlegen, wenn es um Völkermord und Vertreibung geht, sodass wir die Dinge, die wir in Bezug auf Syrien erlebt haben – hier sind wir letztlich vier Jahre lang nicht zu einem Konsens gekommen, was wir in der Völkergemeinschaft tun können –, für die Zukunft ausschließen.
Wenn es um Recht und Gesetz geht, geht es auch um Menschenrechte. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich loben, dass sich, wenn es zum Beispiel um verfolgte Christen geht, insbesondere der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, aber auch viele andere Kollegen für die Durchsetzung der Menschenrechte überall auf der Welt einsetzen. Jeder von uns hatte in seiner politischen Arbeit schon mit diesem Thema zu tun. Für viele war es eine Motivation, in die Politik einzutreten, sich für die Einhaltung der Menschenrechte überall auf der Welt einzusetzen. Deswegen, glaube ich, sollten wir das auch deutlich machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das zweite Prinzip. Wir suchen in Deutschland immer den integrierten Ansatz. Wir scheuen nicht davor zurück, gegebenenfalls auch zu robusten Mandaten zu greifen – daran ist der Bundestag ja maßgeblich beteiligt –, aber wir sehen auch, dass für eine nachhaltige Lösung der Probleme das Zusammenspiel von zivilen, militärischen, diplomatischen und sozialen Initiativen unverzichtbar ist und dass man einen langen Atem braucht.
Mit Blick auf Afghanistan – darüber werden wir in den nächsten Monaten ja sicherlich auch diskutieren – haben wir mit der Mission Resolute Support einen ambitionierten Plan, aber ich glaube schon, dass wir uns möglicherweise von dem starren Zeitplan lösen und bereit sein sollten, über den bisher vorgegebenen Zeitplan hinaus in Afghanistan engagiert zu bleiben – auch außerhalb Kabuls –, weil es eben im Sinne der Nachhaltigkeit nicht gut wäre, wenn wir dort vorzeitig die Flinte ins Korn werfen würden. Wir sollten mit unseren Partnern in der Welt ganz konkret darüber reden, was nach Resolute Support kommt und wie ein modifiziertes Mandat möglicherweise aussieht.
Klar ist aber auch, dass wir das gemeinsam machen. Wir sind in Afghanistan gemeinsam engagiert. „ Gemeinsam rein, gemeinsam raus“ war immer unser Grundsatz.
Das Dritte ist – darauf habe ich im Zusammenhang mit Afghanistan eben schon hingewiesen –, dass Deutschland keine außenpolitischen Alleingänge macht, sondern dass wir uns immer in partnerschaftlichen Organisationen engagieren.
Wir haben Formate gefunden, in denen Deutschland massiv und erfolgreich wirkt. Das E3+3-Format ist ein Beispiel dafür. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen ermutigen, auch mit den Kollegen aus Israel darüber zu reden, dass wir Deutschen der Meinung sind, dass das eine deutliche Erhöhung der Sicherheit Israels bedeutet, was für uns Deutsche Staatsräson ist. In den Gesprächen, die wir mit den israelischen Kolleginnen und Kollegen führen, sollten wir immer wieder versuchen, sie davon zu überzeugen, dass von diesem Abkommen keine Bedrohung für Israel ausgeht. Das ist mir ein wichtiges Anliegen.
Wir haben zwei Partner, mit denen wir seit Jahrzehnten und für Jahrzehnte eng verbunden sind:
Das ist zum einen die Europäische Union, die sich gegenwärtig auf den Weg der Erarbeitung einer außen- und sicherheitspolitischen Strategie begibt. Von vielen Seiten wird davon nicht viel erwartet. Ich sage: Gerade mit Blick auf die Flüchtlinge und die Fluchtursachen haben wir die Chance, auf dem EU-Gipfel im nächsten Jahr diesbezüglich einen mächtigen Akzent zu sehen und diejenigen positiv zu überraschen, die sich von der Europäischen Union in diesem Punkt nicht so viel erwarten.
Zum anderen haben wir eine Verbindung zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die transatlantische Partnerschaft. Sie bewährt sich in ganz vielen Feldern. Eines möchte ich nennen, nämlich den Ukraine-Konflikt. Es gibt einen ganz engen Schulterschluss Nordamerikas mit dem, was die Europäer für richtig halten. Sie unterstützen das, was wir dort tun, und wir sind gemeinsam der Meinung, dass es eine diplomatische Lösung geben muss und dass das völkerrechtswidrige Handeln Russlands durch Sanktionen beantwortet werden muss.
Es ist aber mehr als eine Sicherheitspartnerschaft. Es ist eine Wertepartnerschaft und natürlich auch eine Wirtschaftspartnerschaft. Deswegen kommt dem Handelsabkommen TTIP eine große Bedeutung zu.
Ich glaube, der Kollege Schmidt hat es eben angesprochen: Wenn Gewerkschaften, deren Mitglieder in exportintensivsten Industrieunternehmen arbeiten – zum Beispiel die IG Metall –, undifferenziert gegen ein solches Handelsabkommen sprechen, dann ist das ein Grad an Irrationalität, den ich nicht nachvollziehen kann. Es wird so getan, als seien Verabredungen getroffen worden. Es gibt aber überhaupt noch keine Vereinbarung. Im Übrigen müssen der Deutsche Bundestag und das Europäische Parlament zustimmen. Ich kann die Gewerkschaften nur dringend auffordern, im Interesse ihrer Mitglieder die Chancen dieses Abkommens zu begreifen und sich eben nicht auf die Seite derer zu schlagen, die aus dumpfem Antiamerikanismus gegen dieses TTIP-Abkommen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Ich glaube, dass wir mit diesem Abkommen die große Chance haben, strategisch weiterzukommen. Wenn wir unsere Maßstäbe in Bezug auf den fairen Welthandel durchsetzen, dann ist das besser, als wenn wir uns von der Entwicklung in der Welt treiben lassen.
Herr Kollege Hardt, gestatten Sie zum Ende Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Trittin?
Ja.
Herr Kollege Hardt, da Sie Kritiker aus den Gewerkschaften, die zum Beispiel die intransparenten Schiedsverfahren und die regulatorische Kooperation beanstanden, mit dem Begriff des „dumpfen Antiamerikanismus“ belegt haben,
(Peter Hintze [CDU/CSU]: Stimmt leider!)
würden Sie diesen Begriff dann auch auf jene Gewerkschafter in den USA anwenden, die dieses Abkommen aus exakt den gleichen Gründen, nämlich aus der Befürchtung heraus, dass im Zusammenhang mit diesem Abkommen die Demokratie vermindert und Arbeitnehmerrechte abgebaut werden könnten, ablehnen? Sind diese amerikanischen Gewerkschaften auch von „dumpfem Antiamerikanismus“ geprägt?
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Trittin, Antiamerikanismus bei amerikanischen Arbeitnehmern habe ich bei meinen Besuchen in Amerika nicht beobachten können. Ich möchte aber dennoch sagen: Es geht darum, dass wir uns bei diesem Abkommen an die konkreten Fakten halten, dass wir vor dem Hintergrund, dass wir ein solches Abkommen wollen, für uns, für Europa und für Nordamerika das beste Ergebnis erlangen. Dabei hilft es überhaupt nicht, Behauptungen aufzustellen, die nicht belegt und unwahr sind; Stichwort „Intransparenz von Schiedsverfahren“.
Ich kenne das Schiedsverfahren, wie es bei CETA vorgesehen ist. In diesem Abkommen ist bei diesem Verfahren Transparenz explizit vorgesehen. Sie kennen den Beschluss des Europaparlaments, der als Leitplanke für die Verhandlungen der EU-Kommission dienen soll. Auch in diesem Beschluss ist bei diesem Verfahren Transparenz vorgesehen. Ich bitte diejenigen, die TTIP infrage stellen, anzuerkennen, dass es über bestimmte Dinge, die als gegeben in den Raum gestellt werden, längst Klarheit gibt und dass es kein intransparentes Schiedsverfahren geben wird. Dass im Übrigen die regulatorische Kooperation die Rechtsetzungsmöglichkeiten der Parlamente der teilnehmenden Staaten nicht außer Kraft setzt, können Sie im Text zum CETA-Abkommen, bisher nur in der englischen Fassung, nachlesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Hardt. Damit ist Ihre Redezeit beendet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tobias Lindner für BÜNDNIS 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5756336 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 120 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |