24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.6

Eva HöglSPD - Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am Freitag, dem 13. November, erlebte Paris eine Nacht des Grauens. Mehrere Attentäter richteten nahezu zeitgleich an mehreren Orten ein Blutbad an, das 130 Menschen das Leben kostete und Hunderte zum Teil schwer verletzte. Viele von ihnen kämpfen noch immer um ihr Leben.

Die Opfer der Terroranschläge waren Menschen aus aller Welt, Menschen, die ihr Leben in Paris ausgelassen und frei leben wollten. Das Ziel des Terrors war nicht Paris allein, das waren auch nicht allein die Französinnen und Franzosen, sondern die Terroranschläge galten uns allen. Sie waren ein Anschlag auf unsere freiheitliche Demokratie.

Diese Terroranschläge haben uns noch einmal erschreckend vor Augen geführt, dass eine freiheitliche Gesellschaft, wie wir sie sind und wie wir sie in Europa haben, verwundbar ist und verwundbar bleibt. Hundertprozentige Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es in einer rechtsstaatlichen Demokratie niemals geben. Im Übrigen gibt es auch keine hundertprozentige Sicherheit in Diktaturen oder totalitären Systemen.

Umso wichtiger ist es, dass wir in Europa und in der ganzen Welt zusammenstehen und eine Botschaft an die Terroristinnen und Terroristen senden – das haben Sie, Herr Bundesminister, schon gesagt – : Wir werden unsere Lebensweise nicht ändern, und die Terroristinnen und Terroristen werden uns nicht besiegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden auf das Grauen des Terrors antworten müssen. Es ist ganz wichtig, dass wir dies mit Besonnenheit tun. Sie hatten, Herr de Maizière, am 17. November mit der Absage des Fußballländerspiels eine schwere Entscheidung zu treffen; Sie haben es ja eben schon gesagt. Das war natürlich schmerzhaft für uns alle, besonders für die Fußballfans, und es war auch deshalb schmerzhaft, weil wir den Terroristinnen und Terroristen keinen Platz machen wollen, sondern weil wir unser Leben weiterleben wollen. Trotzdem sage ich hier ganz deutlich: Es war eine richtige Entscheidung, das Fußballspiel abzusagen, weil offensichtlich konkrete Terrorhinweise vorlagen. Da hat der Schutz der Bürgerinnen und Bürger immer Vorrang. Deswegen danke ich Ihnen noch einmal für dieses wohlüberlegte Vorgehen.

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Kritik daran meiner Meinung nach überhaupt nicht berechtigt war. Sie haben solch schwere Entscheidungen zu treffen. Wir alle müssen, auch wenn es manchmal unbefriedigend ist, akzeptieren, dass Sie, um die Ermittlungen nicht zu behindern und um am Ende eine Entscheidung treffen zu können, nicht alles sagen können, was Sie wissen. An dieser Stelle also ein großes Dankeschön. Genauso müssen die Entscheidungen getroffen werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Vorgänge in Hannover haben uns gezeigt, dass unsere Sicherheitsbehörden eine hervorragende Arbeit leisten. Ich finde, auch das muss hier gesagt werden: dass Anschläge hoffentlich verhindert werden konnten, verhindert werden können und dass wir alle aber auch sehr wachsam sein müssen. Denn die Gefahr des Terrorismus wird weiter bestehen. Deswegen müssen wir alles dafür tun, unsere Sicherheitsbehörden ausreichend gut auszustatten. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, die richtigen Rahmenbedingungen durch entsprechende Sicherheitsgesetze, aber auch durch eine ausreichende Ausstattung zu schaffen.

Wir haben schon einiges gegen Terrorismus auf den Weg gebracht: Wir haben die Reiseaktivitäten und die Finanzierung terroristischer Taten unter Strafe gestellt. Wir haben unsere nach dem 11. September 2001 eingeführten Regelungen zur Terrorismusbekämpfung erneut verlängert. Ja, das ist zwar immer umstritten, aber das war eine richtige Entscheidung. Wir arbeiten natürlich daran, dass wir den IS und andere Terrorgruppen intensiv bekämpfen.

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen: Der Ruf nach weiteren gesetzlichen Verschärfungen ist keine Antwort auf den Terrorismus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen habe ich mich auch einigermaßen geärgert, als wieder – das hat mittlerweile einen Bart, ist ein alter Hut – die Forderung nach Einsatz der Bundeswehr im Landesinnern kam. Ich sage für die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar: Für uns ist die bestehende Trennung zwischen Polizei und Bundeswehr eine richtige Trennung, an der wir nichts ändern wollen.

(Beifall bei der SPD)

Terroristen müssen bekämpft werden – mit polizeilichen Mitteln und selbstverständlich auch mit den Mitteln des Verfassungsschutzes –, aber einen Einsatz der Bundeswehr lehnen wir entschieden ab. Wir halten die Aufgabenteilung, die wir bisher haben, für ausreichend und für sinnvoll.

Was ich auch nicht verstehen kann – das will ich ebenfalls ganz deutlich sagen –, ist der Ruf nach Grenzschließungen und nach weiteren Grenzkontrollen. Das Schließen der Grenzen und weitere Grenzkontrollen, die über das in dieser Situation Notwendige hinausgehen, sind gerade das Gegenteil von einem Beharren und einem Bestehen auf unserer Freiheit, sind vielmehr ein Kniefall vor den Terroristinnen und Terroristen und widersprechen dem europäischen Freiheitsgedanken. Deswegen ist auch das die falsche Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Ich bin der Auffassung: Weitere Verschärfungen führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern schränken die Freiheit über Gebühr ein. Deswegen von hier aus der Appell, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden und auf diesem Weg den Terrorismus wirksam zu bekämpfen.

Wir müssen die Sicherheitsbehörden ausreichend gut ausstatten. Dafür legen wir in diesem Bundeshaushalt die richtigen Grundlagen. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass es gelungen ist, bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz und beim BND aufzustocken. Ich will auch ganz deutlich sagen, dass wir den Verfassungsschutz und natürlich auch die Polizei, Bundespolizei, Bundeskriminalamt – je nach ihrer Zuständigkeit –, dass wir die Sicherheitsbehörden jetzt ganz dringend brauchen. Ich möchte, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei den Salafisten, dass der Verfassungsschutz ganz genau hinschaut bei dem, was dort passiert, was dort geplant wird. Ich möchte im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei dem, was am rechten und rechtsextremen Rand vor sich geht, dass er hinschaut, was bei den Pegida-Demonstrationen für Parolen gerufen werden, und auch die AfD in den Blick nimmt.

(Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da weigert er sich ja! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht er nicht! – Weitere Zurufe)

– Deswegen sage ich ja, dass ich es für sinnvoll halte, in diese Richtung zu schauen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie finden uns auf Ihrer Seite!)

Ich bin auch der Auffassung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die Sicherheitspolitik und die Sicherheitsbehörden auf der europäischen Ebene stärken sollten. Herr Schuster hat diese Woche dazu etwas gesagt, was ich ausdrücklich unterstütze. Auch ich finde es richtig, Europol auszubauen, Europol zu stärken und die europäischen Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Ich sagte es ja schon: Es betrifft uns alle, nicht nur einzelne Länder und einzelne Städte.

Wir stärken mit diesem Bundeshaushalt – das möchte ich ebenfalls noch einmal hervorheben – auch den Gesichtspunkt der Prävention. Es ist ein ganz wichtiger Ansatzpunkt, dass wir auf der einen Seite mit Repression und mit den Sicherheitsbehörden auf Terrorismus reagieren; aber auf der anderen Seite ist es doch auch wichtig, dass wir am Anfang, ganz zu Beginn, wenn junge Leute oder auch ältere auf die Idee kommen, sich Rechtsextremen oder Salafisten oder anderen anzuschließen, wenn sie in die Gefahr geraten, Terroristen zu werden, ganz intensiv dagegenarbeiten. Deswegen müssen wir – das machen wir auch – Projekte, Programme, Träger, Initiativen besser ausstatten. Das Programm „Demokratie leben!“ bekommt zusätzlich Geld – das ist genau die richtige Entscheidung –, und – das finde ich auch sehr wichtig – die Bundeszentrale für politische Bildung wird gestärkt. Auch diesen Weg müssen wir weitergehen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein letzter Punkt. Auch das ist schon erwähnt worden, aber ich will es noch einmal bekräftigen: Wer eine Verbindung zwischen Terrorismus, Flüchtlingen, Islam oder in unserem Land lebenden Muslimen zieht, der handelt verantwortungslos. Wer so argumentiert, stellt Flüchtlinge unter Generalverdacht, schürt Ängste und spielt rechten Hetzern in die Hände. Da sagen wir ganz klar: Nein,

(Beifall bei der SPD)

Flüchtlinge sind keine Gefahr für unsere innere Sicherheit. Aber selbstverständlich müssen wir Flüchtlinge rechtzeitig und wirksam registrieren. Wir müssen das Verfahren besser führen. Wir müssen das Verfahren ordnen und brauchen mehr Steuerung. In diese Richtung wollen wir auch weiter gemeinsam diskutieren. Jedenfalls: Der zu beschließende Haushalt stellt hierfür die richtigen Weichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Volker Beck von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6207475
Wahlperiode 18
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit
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