22.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 9

Siemtje MöllerSPD - Bundeswehreinsatz im Mittelmeer (SEA GUARDIAN)

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „ Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben“,

sagte einst Alexander von Humboldt. Die Region um das Mittelmeer ist von starker Instabilität geprägt. Diese Bedingungen nutzen Kriminelle immer wieder. Deswegen wollen wir heute das Mandat Sea Guardian verlängern; denn in einer globaleren Welt ist es wichtig, dass wir den Überblick behalten. Das ist die primäre Aufgabe des Mandates: ein Lagebild von der Situation im Mittelmeer zu erstellen.

Im Gegensatz zu der Vorgängermission Operation Active Endeavour, die sich zentral auf die Beistandsklausel, also den sogenannten NATO-Bündnisfall, aus Artikel 5 des NATO-Vertrags berufen hat, gründet sich dieses Mandat auf NATO-Beschlüsse, Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sowie auf Regeln des Völkerrechtes.

(Unruhe bei der AfD)

– Bei meiner anderen Rede war es auch schon so. An die Herren von der AfD: Jede Klasse in meinem vorherigen Berufsleben war disziplinierter als Sie im Plenum.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD], auf die anderen Fraktionen zeigend: Das ist überheblich! Schauen Sie mal da rüber!)

Bitte weitermachen in der Debatte.

Vielen Dank. – Unsere Marine leistet sehr gute Arbeit und beliefert unsere Bündnispartner mit kritischen Informationen, die dafür sorgen, dass die Seewege sicher sind und Wirtschaftsgüter unbeschadet bei uns in Deutschland ankommen. Der vernetzte Ansatz zwischen der EU und der NATO wird bei diesem Mandat gelebt. Sea Guardian und die European Union Naval Force Mediterranean Sea der Operation Sophia haben unterschiedliche Zielrichtungen, kooperieren aber miteinander.

Weil es in der vorherigen Debatte nicht ganz klar war, möchte ich es einander gegenüberstellen: Sophia fährt unter der Flagge der Europäischen Union; Sea Guardian ist ein Mandat der NATO. Sophia bekämpft den Menschenhandel der Schleuser und Schlepper; Sea Guardian kümmert sich um die Seeraumüberwachung und Ausbildungsunterstützung. Sophia umfasst 25 europäische Nationen mit durchschnittlich 1 200 Soldatinnen und Soldaten und Zivilpersonal. Sea Guardian ist eine gemeinsame Kooperationsplattform mit Akteuren im Mittelmeerraum, Staaten wie Organisationen. Schiffe klinken sich dabei bei der Durchfahrt zu anderen Zielen temporär ein und können so einen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben leisten. Sie sehen: Es sind verschiedene Mandate.

Es gibt drei Punkte, die mich bei dem Mandat Sea Guardian überzeugen: der klare Auftrag, die Praktikabilität und die rechtliche Einordnung. Erstens. Der Auftrag und die Aufgaben von Sea Guardian orientieren sich an den Vorgaben der maritimen Strategie der NATO. Zweitens. Die flexible Teilnahme am Mandat durch das Einklinken bei der Durchfahrt zu anderen Zielen ist ein moderner Ansatz, den es auch bei zukünftigen Einsätzen geben wird. Das ist der pragmatische Weg für die Marine, diesen Einsatz gewährleisten zu können. Drittens. Das Mandat steht rechtlich auf sicheren Beinen, und die Soldaten erledigen die Aufgaben, für die sie ausgebildet wurden.

Ich möchte noch einen Punkt betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen, der häufig missverstanden wird: Die völkerrechtliche Pflicht zur Seenotrettung muss nicht Teil dieses Mandats sein; sie ist bereits durch ein internationales Abkommen geregelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Es wird nicht eingehalten! Das ist doch das Problem!)

Dieses Übereinkommen von 1979 sollte ein internationales System der Koordinierung von Seenotrettungseinsätzen schaffen, und alle Länder, die dem Übereinkommen beigetreten sind, müssen Seenotrettungsleitstellen einrichten und ausgebildetes Personal bereitstellen – so natürlich auch die Länder der Europäischen Union.

Ebenso greift das Refoulement-Verbot, der Grundsatz der Nichtzurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Es besagt, dass kein Mensch, der aufgrund seiner Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung bedroht wird, aus- oder zurückgewiesen werden darf – so selbstverständlich auch auf dem Mittelmeer.

Das ist einmal der Hintergrund für uns mit der klaren Betonung, dass die Schiffe, die am Mandat Sea Guardian teilnehmen, diese Aufgaben wahrnehmen, wenn sie Menschen tatsächlich entdecken, die in Seenot geraten sind. Und ja, das ist richtig, und dafür gebührt ihnen unser Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michel Brandt [DIE LINKE]: Da müssen Sie mal mit den Rettungsorganisationen sprechen! Die sagen nämlich genau das Gegenteil!)

Was mich jedoch in der letzten Woche und auch in dieser Woche im Ausschuss gestört hat, war der Entschließungsantrag der AfD-Fraktion. Überall wurde er eingebracht: im Plenum, im Verteidigungsausschuss und im Auswärtigen Ausschuss. Ich frage mich: mit welchem Ziel eigentlich?

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, weil Sie keine Ahnung haben! – Gegenruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)

– Ich beweise Ihnen ja gerade, dass es nicht so ist.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Gelingt Ihnen aber nicht!)

– Beweisen Sie mir mal das Gegenteil! – Damit wir eben nicht über das Mandat sprechen, sondern über Geflüchtete. Damit wir eben nicht über das Mandat sprechen, sondern über sogenannte irreguläre Migration. Damit wir alle unterschiedlichen Mandate, die im Mittelmeer agieren, in einen Topf werfen. Damit Sie Angst schüren können, statt sachlich zu diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie bezwecken, dass wir uns in Ihrer verqueren Logik verheddern. Ich möchte mich darauf nicht einlassen.

Ich komme zu Ihrem Antrag. Sie verdrehen die Tatsachen. In Ihrem Antrag begrüßen Sie Frontex und die Operation Themis. Das ist schon einmal bemerkenswert genug; denn es ist eine europäische Operation. Sie sagen: Frontex und die Operation Themis würden die sogenannten „Transfergeldempfänger“ in den „nächsten, sicheren Hafen“ bringen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist schlicht falsch. Ein Blick in das Mandat würde helfen. Sie unterschlagen das kleine wichtige Wort europäisch. Themis sieht vor, dass aufgenommene Menschen nicht mehr zentral nach Italien gebracht werden, sondern auch in andere europäische Häfen gebracht werden können. Themis ist eine solidarische europäische Operation und keine Operation, die fremde Hoheitsgebiete verletzt.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen der Bundeswehr, die Ihrer Ansicht nach bereits überfordert ist, auch noch Aufgaben übertragen, die nicht nur nicht zu meistern sind, sondern auch gar nicht zum Aufgabengebiet der Bundeswehr gehören. Das ist das Gegenteil von Praktikabilität.

Sie fordern das Eindringen in fremde Seegebiete, sogar in fremde Territorien, und die Zurückführung von Geflüchteten. Das ist das Gegenteil der Einpassung des Mandates in internationale Gesetzgebung. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF. Sie haben hierfür weder ein Mandat noch haben sie eine entsprechende Ausbildung. Das, was Sie von der Bundeswehr verlangen, ist international organisatorisch, personell und rechtlich nicht möglich.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sea Guardian hat einen klaren Auftrag, nämlich die Erstellung von Lagebildern, die Aufklärung im Kampf gegen Waffenschmuggel und Schleppernetze und nicht die Bekämpfung Schiffbrüchiger.

Eines möchte ich noch sagen: Die von Ihnen verwendete Sprache ist durchaus geschickt gewählt. Sie benutzen Begriffe wie einen Code, wie einen Subtext, der aber tatsächlich Ihre wahren Ansichten enttarnt.

Was ist denn bitte „irreguläre Migration“? Was wäre denn dann „reguläre“? Die regelmäßige Migration von der Schweiz in den Bundestag?

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie erwähnen „Afrika“, als sei es ein ferner, unbekannter Kontinent, der zu einem einzigen gesichtslosen Land verschmilzt – in Ihrer Weltanschauung eine Bedrohung. Aber die Länder Nordafrikas liegen in unserer unmittelbaren europäischen Nachbarschaft. Es sollte auch in unserem Interesse sein, zu einer guten Zusammenarbeit zu kommen. Aber genug zu Ihrem Entschließungsantrag; ich glaube, ich habe genug Redezeit darauf verwandt.

Ich komme zurück zu dem Mandat, das wir eigentlich beschließen wollen. Stimmen wir dem Mandat zu! Stimmen wir für mehr Sicherheit und Stabilität im Mittelmeerraum! Stimmen wir für sichere Handelsrouten, damit wir nicht in alte Zeiten zurückfallen, in denen Chaos und Piraten über das Mittelmeer herrschten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7213180
Wahlperiode 19
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Mittelmeer (SEA GUARDIAN)
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