Alexander HoffmannCDU/CSU - Meinungsfreiheit im Netz
Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Künast, ich nehme Ihren Vorschlag ernsthaft auf. Sie wollen über Cybergrooming reden. Das können wir morgen früh, 9 Uhr, machen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und NetzDG!)
Bis dahin hat Ihre Fraktion noch Zeit, sich zu überlegen, ob sie der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zustimmt, wofür ich ausdrücklich werben möchte. Sie können morgen Ihren Ankündigungen von heute Taten folgen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben in diesem Haus schon oft über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit gesprochen. Auch in der digitalen Welt ist es so, dass sich Freiheit und Sicherheit gegenseitig nicht ausschließen. Sie bedingen einander. Es wird im Netz Freiheit nicht ohne Sicherheit geben, und es kann keine Sicherheit ohne die Freiheit geben.
(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Es ist immer wichtig, beide Aspekte in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu stellen. Dort, wo das eine auf der Strecke bleibt, kann es das andere nicht geben. Aber genau an dieser Stelle weist der vorliegende Antrag Schwächen auf.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie wollen nicht, dass Plattformen löschen. Das wird von der einen oder anderen Fraktion noch garniert, indem man sagt, das wäre eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Ganz ehrlich, ich glaube, dass keine Fraktion, die das behauptet, das tatsächlich ernst meint. Wenn das so wäre, hätten Sie nämlich vom ersten Tag an, seitdem es Facebook gibt, Sturm gegen Facebook laufen müssen; denn vom ersten Tag an löscht Facebook selbstständig anhand eigener Standards. Man muss ehrlich sagen: Das hat Sie über die Jahre nie wirklich interessiert, bis wir über das NetzDG diskutiert haben.
Ein zweites Beispiel: Es war doch früher schon so und es ist auch heute so, dass zum Beispiel ein Zeitungsverlag einen Leserbrief, der eine Beleidigung enthält, nicht veröffentlichen darf. Wenn wir einen solchen Vorgang in die digitale Welt transferieren, dann tun Sie so, als wäre das das Ende der Meinungsfreiheit. Hinzu kommt, dass der Schaden, der angerichtet wird, in der digitalen Welt ein ganz anderer ist. Die Zeitung wird gelesen, dann liegt sie einen Tag auf dem Küchentisch, und dann kommt sie ins Altpapier. Eine Beleidigung, die in die digitale Welt entsandt wird, zum Beispiel auf einer Plattform wie Facebook, wird einmal, zehnmal, hundertmal geteilt, und irgendwann ist sie tausendfach unrückholbar im Netz. Das heißt, es gibt dort einen ganz anderen Ausbreitungsgrad und damit einen ganz anderen Gefährdungsgrad für den Einzelnen, und dann reden wir doch wieder über Sicherheit.
Schauen Sie sich einzelne Beispiele an. Menschen sind in den Suizid getrieben worden, weil bestimmte Mobbingmaßnahmen nie wieder aus dem Internet gelöscht worden sind. Es gab Menschen, die YouTube angefleht haben, im Interesse ihrer Familie bestimmte Falschbehauptungen aus dem Netz zu nehmen, aber nichts ist passiert. Daran wird, glaube ich, sehr deutlich, dass es gar nicht anders geht, als Plattformbetreibern Manschetten anzulegen.
Ich möchte betonen – ich glaube, auch das eint uns –: Wir merken doch alle, dass wir uns den Weg zum NetzDG nicht leicht gemacht haben. Wir alle haben frühzeitig erkannt, dass wir absolutes Neuland betreten. Es ist tatsächlich ein hoher Anspruch, den wir haben, Meinungsfreiheit und die Sicherheit des Einzelnen ausgewogen in Einklang zu bringen. Es wäre mir deswegen wichtig, dass wir in den Debatten die Komplexität der Herangehensweise wechselseitig nicht ignorieren und so tun, als ob wir mit dem Rasenmäher über das Grundrecht der Meinungsfreiheit gehen und ihm an keiner Stelle zur erforderlichen Geltung verhelfen.
(Manuel Höferlin [FDP]: Findet ja nicht statt!)
Genau deswegen haben wir eine Evaluierung vereinbart. Wir haben gute Erkenntnisse daraus gewonnen. Kollege Müller hat aus der Anhörung berichtet. Er hat auch berichtet, dass bei den Fachleuten ein Umdenken stattgefunden hat, was den Umgang mit dem NetzDG angeht. Seien wir doch ehrlich zueinander: Wir stehen vor einer umfassenden Herausforderung. Das bedeutet, wir müssen uns dabei Zeit lassen. Wir müssen wirklich tiefgehend arbeiten, um die Herausforderungen anzugehen. Sie haben mitbekommen, dass wir dabei sind, ein umfassendes Paket zu schnüren. Ich kann Sie nur einladen: Beteiligen Sie sich an diesem Dialog.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie die Gesetzentwürfe rausrücken, Herr Hoffmann!)
Dann kommt am Ende mit Sicherheit etwas Gutes dabei heraus.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich will einen Gesetzentwurf!)
Da Frau Künast so lebhaft ist, komme ich auf das Thema Cybergrooming zurück. Wir rechnen morgen fest mit Ihrer Unterstützung. Ich werde darauf zurückkommen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Hoffmann. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Jens Zimmermann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414073 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Meinungsfreiheit im Netz |