23.04.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 7

Alexander DobrindtCDU/CSU - Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland meistert diese Krise viel besser als viele andere Länder in der Welt. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, sondern das hat vor allem mit der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu tun, ihren Alltag umzustellen, Rücksicht aufeinander zu nehmen, Abstand zu halten, ja, auch zu verzichten, um sich und andere zu schützen.

Sehr geehrter Herr Kollege Münzenmaier, ich muss schon sagen: Dass das Aufeinander-Rücksicht-Nehmen in unserem Land Gesundheit und Leben schützt, ist den Menschen in Deutschland sehr viel wert. Deswegen sind sie bereit, Einschnitte hinzunehmen. Dass diese Bereitschaft in der Gesellschaft deutlich größer ist, als Sie sie unterstellen, hilft Gott sei Dank dabei, dass wir gesund bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir diese Krise besser meistern können als viele andere Regionen, hat auch damit zu tun, dass wir in diesem Land vorgesorgt haben und dass wir in zentralen Bereichen gut aufgestellt sind. Wir haben beispielsweise in der Vergangenheit solide gehaushaltet und dafür gesorgt, dass wir finanzielle Möglichkeiten haben, um heute in der Krise investieren, Schutzprogramme auflegen und Schutzschirme aufspannen zu können.

Meine Damen und Herren, vielleicht erinnern Sie sich an die eine oder andere Haushaltsdebatte der vergangenen Jahre. Da wurde nämlich immer von der linken Seite vom „Fetisch der schwarzen Null“ gesprochen, die man nicht einhalten dürfe, sondern dass man das Geld in der Zeit der niedrigen Zinsen ausgeben müsse. Man kann nur sagen: Gut, dass wir das in der Vergangenheit nicht getan haben, sondern das Geld zusammengehalten haben und nicht auf die gehört haben, die das Geld immer mit vollen Händen ausgeben und die Haushalte verschulden wollten.

(Widerspruch bei der LINKEN)

All diejenigen Länder in Europa, die jetzt dringend auf unsere Hilfe angewiesen sind, sind Ihren linken Modellen gefolgt und können sich jetzt alleine nicht mehr retten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Martin Schulz [SPD])

Wer soll denn in Europa helfen, wenn alle den gleichen Irrweg gehen und die Verschuldung als politisches Modell anerkennen? Wir haben in diesem Deutschen Bundestag vor einigen Wochen 1,4 Billionen Euro für Rettungsschirme, Kredite und vieles andere mehr auf den Weg gebracht. Wir haben jetzt in Europa die Chance, die Bereitstellung von 500 Milliarden Euro über den ESM, über die EIB, auch über die Regelungen zum Kurzarbeitergeld – das geschieht über den Artikel 122 AEUV – für andere europäische Länder zu ermöglichen. Es ist auch richtig, dass wir diese Solidarität in Europa zeigen, um dafür zu sorgen, dass andere Länder auch die Chance haben, aus dieser Krise besser herauszukommen, als wenn sie alleine wären.

Ja, es liegt auch in unserem Interesse, dass dies gemeinsam möglich ist. Aber wir müssen dafür sorgen, dass jetzt nicht die Krise als Argument genutzt wird, um alle Errungenschaften der Vergangenheit, des Zusammenhalts über Bord zu werfen. Wer heute leichtfertig die Krise nutzt, um einer allgemeinen Verschuldung in Europa das Wort zu reden, der gefährdet dieses europäische Projekt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen, lieber Kollege Toni Hofreiter: Wenn Sie sagen, dass die EU mit Schulden zusammengehalten wird, dann irren Sie grundsätzlich. Gemeinsame Schulden einen nicht, sie trennen uns in Europa. Deswegen müssen wir verhindern, dass es Euro-Bonds gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben gestern in dieser Koalition weitreichende Entscheidungen getroffen. Ich bin der Frau Bundeskanzlerin, dem Bundesfinanzminister und dem Bundesinnenminister ausgesprochen dankbar, dass es möglich war, diese Entscheidungen zu treffen, die stärkere Hilfen für den Mittelstand, die stärkere Hilfen für die Arbeitnehmer und auch eine Starthilfe für die Gastronomie beinhalten.

Wenn man den Reden zugehört hat, weiß man nicht, ob das jeder hier verstanden hat. Wir schaffen für mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, dass man Gewinne aus der Vergangenheit in die Zukunft mitnimmt und Verluste, die jetzt gemacht werden, im weitesten Sinne miteinander verrechnet. Wir schaffen bei der Kurzarbeit Regelungen, dass die, die länger in der Kurzarbeit bleiben müssen, bessergestellt werden, um ihre Situation erträglicher zu gestalten.

Wir als Gesellschaft brauchen zukünftig auch wieder Orte der Begegnung; Orte des Zusammenkommens; Orte, wo gesellschaftliches Leben wieder so stattfindet, wie wir es gewohnt waren. Dazu gehören Gaststätten und Restaurants, und deswegen muss man dafür sorgen, dass diese Gaststätten und Restaurants eine Überlebenschance haben, wenn sie wieder an den Start gehen, und Verluste, die sie in der Zeit des Lockdowns gemacht haben, ausgleichen können. Deswegen ist es so bedeutsam und so wichtig, dass wir die Mehrwertsteuer an dieser Stelle absenken, damit dann, wenn das gesellschaftliche Leben dort wieder stattfindet, die Chance auf dauerhaftes Überleben dieser Gastronomie besteht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Sebastian Münzenmaier [AfD])

Wir haben – ein weiterer Punkt – Gott sei Dank starke Krankenhäuser und eine starke Gesundheitsversorgung in allen Regionen in Deutschland. Ich kann nur sagen: Gut, dass wir sie haben, insbesondere wenn man sich manche Debatten der Vergangenheit anschaut, wo sehr darüber diskutiert worden ist, wie viel Krankenversorgung man denn in der Fläche, in der Region braucht. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben dankenswerterweise heute auch davon gesprochen, dass wir die Gesundheitsämter für die Zukunft stärken müssen. Das hat unsere volle Unterstützung.

Es sind aber nicht nur die Gesundheitsämter, es sind auch unsere Krankenhäuser. Wir brauchen eine bestmögliche medizinische Versorgung nicht nur in den Ballungsräumen, in den Metropolen, sondern überall in Deutschland, in der breiten Fläche, auch auf dem Land, und das ist ebenfalls eine Lehre aus Corona: Wir müssen dafür sorgen, dass die Versorgung mit Intensivstationen, mit Intensivbetten und mit normaler medizinischer Spitzenbetreuung überall in Deutschland stärker möglich ist als in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will auch darauf hinweisen, dass wir neben dieser Phase, in der wir uns jetzt befinden, wo wir die wirtschaftlichen Folgen der Krise abfedern – Arbeitsplätze sichern, Insolvenzen verhindern, Einbußen auffangen –, auch darüber reden müssen: Was kommt nach dieser Zeit, in der Phase, die die einen diejenige des Aufbaus nennen und die ich die Phase der Innovation nenne?

Wir brauchen natürlich ein Innovationspaket für Europa. Das will ich auch an der Stelle noch mal deutlich machen: Auch da, sehr geehrter Herr Kollege Hofreiter, geht es nicht darum, dass wir – wörtliches Zitat – „glimpflich“ aus dieser Krise herauskommen. Nicht glimpflich, sondern grunderneuert muss Europa aus dieser Krise herauskommen, um stärker zu sein für die Zukunft, mit Innovationen im Bereich der Digitalisierung,

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Glimpflich“ bezog sich auf die Pandemie!)

der Robotik, der Medizin, der neuen Technologien. Das ist der Auftrag, wenn man stärker aus der Krise kommen will und nicht einfach nur glimpflich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann geht es auch um die Souveränität in Europa, und auch darauf will ich hinweisen. Über die eine oder andere Abhängigkeit Deutschlands und Europas von der Welt konnte man sich in den vergangenen Wochen und Monaten in der Tat nur wundern. Ja, wir sind ein weltoffenes Land, und wir wollen den freien Handel. Aber Austausch mit anderen darf nicht zur einseitigen Abhängigkeit führen. Deswegen müssen wir über diese Frage – die eigene Handlungsfähigkeit in Europa – wieder stärker reden, eine europäische Souveränitätsoffensive starten. Ja, es ist notwendig, die Versorgung mit wichtigen Medizinprodukten, mit Medikamenten in Europa alleine sicherzustellen, ebenso die Versorgung mit Komponenten für kritische Schutzbekleidung. Ja, das muss in Europa sichergestellt werden.

Das ist bei anderen Elementen auch dringend notwendig, und es ist, lieber Herr Wirtschaftsminister, in einer Phase, in der wir uns aus einer Krise wieder herausbewegen, mit unseren Unternehmen dafür zu sorgen, dass wir Produkte in Europa und Deutschland herstellen können, die eigene Versorgung sichern. Ferner ist dafür zu sorgen, dass diese Unternehmen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten, jetzt nicht auf dem Ramschmarkt der Welt verscheuert werden, sondern dass die Unternehmen in Deutschland und Europa weiterhin eine Chance haben. Dafür zu sorgen, ist jetzt Aufgabe der Politik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Bärbel Bas, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7441888
Wahlperiode 19
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
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