06.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 157 / Tagesordnungspunkt 8

Roman Müller-BöhmFDP - Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Endgeräten! In einer Zeit, in der die Coronakrise eigentlich das vorherrschende und auch das dringlichste Thema ist, bringt die Bundesregierung heute eine Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in den Deutschen Bundestag ein. Das ist ein zweifellos interessantes Thema, gar keine Frage, aber, sehr geehrte Frau Ministerin – Sie sind heute hier zugegen –, es gibt in dieser Coronakrise doch so viele offenen Fragen, die insbesondere von Ihrem Haus beantwortet werden müssten, es gibt so viele Branchen, die dringend auf eine Reform vonseiten des BMJV warten. Sie sagten gerade, Ihr Ministerium sei sehr fleißig und arbeite sehr viel – das glaube ich Ihnen sogar –, aber warum halten Sie dann ausgerechnet an diesem halbgaren Gesetzentwurf fest? Das kann ich nicht verstehen? Ich muss Sie fragen: Warum halten Sie daran fest?

(Beifall bei der FDP – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das haben wir doch gerade erklärt!)

Wahrscheinlich wurde hier im Deutschen Bundestag in den letzten Jahren kaum ein anderes digitalpolitisches Thema so oft beraten wie das NetzDG. Liebe Bundesregierung, ich traue mich und spreche die Wahrheit ganz gelassen aus: Das NetzDG war noch nie ein Bestseller und wird auch nie einer werden. Da helfen auch zahlreiche Vorschriften nicht weiter.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Justizministerin?

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Der Abgeordneten!)

– Natürlich: der Abgeordneten.

Ich habe das schon verstanden.

Werter Kollege, ich gehe davon aus, dass Ihr Einwurf nicht zum Ausdruck bringen sollte, dass wir über die zahlreichen und sehr umfangreichen Aufgaben hinaus, die wir im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona- oder der Covid-19-Krise haben, das Arbeiten einstellen sollen. Ich gehe davon aus, dass das nicht so gedacht war. Gerade auch wegen der zahlreichen Rückmeldungen, die aktuell Menschen erreichen, die im Zusammenhang mit der Coronakrise eine bestimmte Position vertreten, halte ich es für notwendig, dass wir als Staat eine Antwort auf dieses Problem geben, dass wir aufzeigen, dass Menschen Positionen vertreten können, ohne die Befürchtung haben zu müssen, mundtot gemacht zu werden, wie das über Bots, über Trolls, über all das, was im Netz momentan unterwegs ist, derzeit leider oft geschieht.

Ich möchte Sie einfach bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich es für eine sehr, sehr wichtige Aufgabe halte, gerade in der jetzigen Zeit dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger auch im Netz ihre Meinung frei äußern können, nicht mundtot gemacht werden, und dass wir dafür als Staat in der Verantwortung stehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, was sagen Sie dazu?

Sehr geehrte Frau Kollegin Lambrecht, gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Das muss man leider auch mit Blick auf Ihren Gesetzentwurf feststellen. Ich verstehe ja Ihre Intention, und ich will auch gar nicht in Abrede stellen, dass man auch in krisenbehafteten Zeiten weiterhin Ressourcen auf die Verfolgung ehrbarer Ziele verwenden sollte. Ich wollte aber die Prioritätensetzung klarstellen; das meinte ich mit meiner Aussage. Sie haben beispielsweise den für morgen zur Beratung vorgesehenen Gesetzentwurf zur Gutscheinregelung bei Veranstaltungen zurückgezogen. Ähnliche Regelungen für andere Branchen sind quasi komplett unter den Tisch gefallen. Genau dafür haben die Bürger aktuell kein Verständnis. Sie verstehen nicht, warum ein Gesetzentwurf, der von der Branche bzw. von der Digitalszene als nicht besonders ausgereift bewertet wird,

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das ist doch Unfug! Die ist doch explizit falsch, die Ausführung!)

nun vorgelegt werden muss, hingegen andere Projekte, die in dieser Zeit wirklich wichtig sind, hinten runterfallen. Das wollte ich gerade eben zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der FDP – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU], an die FDP gewandt: Der Kollege war ja bei der Anhörung auch nicht da! Ganz schlecht!)

Ich fahre fort. Das NetzDG ist schlichtweg verfassungswidrig.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das hat ja noch nicht einmal Ihr heutiger Sachverständiger gesagt! Meine Güte!)

Der Bund ist dafür nicht zuständig; Herr Kollege Müller, auch wenn Sie es nicht hören wollen, es ist so. Die Telemedienregulierung fällt in den Aufgabenbereich der Länder. Daher müsste das im Rahmen eines Staatsvertrages geregelt werden. – Punkt eins.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Unfug! Dafür finden Sie auch keinen Sachverständigen mehr!)

Punkt zwei. Ihr Gesetzentwurf missachtet weiterhin die Grundrechte. Der über Fraktionsgrenzen hinweg sehr geschätzte Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in seinem Gutachten relativ eindeutig klargestellt, dass eine Verfassungsmäßigkeit durchaus zumindest infrage zu stellen ist. Das mag ja vielleicht der Bundesregierung egal sein, aber Ihnen von den beiden Fraktionen, die die Koalition bilden, sollte es doch ein bisschen mehr Empörung ins Gesicht treiben, wenn das alles komplett außen vor gelassen wird.

Hinzu kommt, dass grundsätzliche Bedenken bestehen, wenn private Unternehmen über die Rechtswidrigkeit von Aussagen entscheiden. Das ist ähnlich wie beim Thema Uploadfilter. Sie wollen einfach nicht einsehen, dass das hoheitliche Aufgaben sind, die bei Privaten nichts zu suchen haben.

(Beifall bei der FDP – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Unfug!)

Nun wollen Sie mit Ihrer Reform auch die Berichtspflichten der Social-Media-Anbieter massiv ausweiten. Allerdings sind die Vorgaben, die an dieser Stelle neu gefasst wurden, höchst unkonkret; das waren sie auch schon in der ursprünglichen Fassung. Sie wurden immer wieder angefochten.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Nein!)

Das wird durch diesen Gesetzentwurf sogar noch verstärkt. Das heißt, auch in diesem Punkt haben Sie Kritik aus der Szene nicht aufgegriffen. Sie machen es sogar noch schlimmer. Sie basteln weiterhin an der Symptomatik herum, anstatt das Problem an der Wurzel anzupacken. Das ist schlicht Aktionismus.

Die Fortsetzung eines schlechten Originals ist noch nie gelungen. Ich kann Ihnen versichern: Die FDP wird auch weiterhin gegen das NetzDG sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das müssen Sie sich selbst versichern! Das hörte sich in den Beratungen schon anders an!)

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Niema Movassat für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Der war beim Friseur! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sieht gut aus!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7444044
Wahlperiode 19
Sitzung 157
Tagesordnungspunkt Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes
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