01.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 87 / Zusatzpunkt 1

Hagen ReinholdFDP - Aktuelle Stunde - Klimastiftung Mecklenburg- Vorpommern

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war eigentlich dankbar für diese Aktuelle Stunde, weil sie die Möglichkeit geboten hätte, verlorengegangenes Vertrauen in Demokratie und Exekutive wiederherzustellen. Dazu wäre heute hier die Gelegenheit gewesen. Das Mindeste, was ich von allen Vorrednern erwartet hätte, wäre, zum Ausdruck zu bringen, dass der Bedarf besteht, lückenlos aufzuklären, was bei der Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern los ist,

(Beifall bei der FDP)

und zu zeigen, dass Fehlverhalten in der Politik nicht konsequenzlos bleibt. Das habe ich bei einigen Rednern bis jetzt schmerzlich vermisst.

Ich bin froh, dass es in Mecklenburg-Vorpommern einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, der all die Vorgänge rund um diese Stiftung aufklärt; denn wir wissen ja nicht erst seit heute, dass an der Errichtung der Stiftung nicht nur die Staatskanzlei und das Finanzministerium beteiligt gewesen sind, sondern dass man auch in Russland den Stift dazu gehalten hat. Das muss uns zu denken geben, und das muss Konsequenzen haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass dieses Konstrukt der Stiftung falsch ist, zeigen ja nicht nur die Vorgänge rund um die Steuer. Wer glaubt denn ernsthaft, dass 20 Millionen Euro von Gazprom an diese Stiftung überwiesen worden sind, um Seegraswiesen in der Ostsee anzulegen? Das glaubt doch kein Mensch! Hätte Gazprom das vorgehabt, hätte es ja Möglichkeiten gegeben. Zu Nord Stream 1 gibt es nämlich schon eine Stiftung; da befinden sich sogar Umweltverbände im Vorstand. Diese Verbände hätten es bestimmt besser gemacht. Die Stiftung wurde damals mit 10 Millionen Euro von Nord Stream 1 in die Wege geleitet; sie ist doch da gewesen, diese Möglichkeit hätte also bestanden. Das also kann nicht der Grund gewesen sein. Welche Erwartungen hat man also an diese 20 Millionen Euro geknüpft? Welche politischen Erwartungen an die Landesregierung waren damit verbunden? Das ist das, was es zu klären gibt, und das ist das, was es zu bewerten gibt.

Es gibt ja noch viel mehr rund um diese Stiftung, was lustig erscheint, aber vielen politisch Handelnden eigentlich ihre Doppelmoral vor Augen führt. Fangen wir mal damit an, dass 80 Firmen von dieser Stiftung Aufträge in Höhe von 165 Millionen Euro erhalten haben, vorbei an jedem Vergaberecht, bei einer Landesregierung, die gerade ein neues Tariftreue- und Vergabegesetz in Mecklenburg-Vorpommern durchsetzen will – mit höchsten moralischen und sozialen Ansprüchen. Diese Landesregierung gründet eine Stiftung, mit der sie an jedem Vergaberecht vorbei Aufträge in Höhe von 165 Millionen Euro verteilt. Diese Doppelmoral ist doch offensichtlich und noch gar nicht zur Sprache gekommen.

Der nächste Punkt sollte uns im Bundestag schon zu denken geben. Ein kleines Bundesland, mein Mecklenburg-Vorpommern, hat nämlich über Jahre hinweg Nebenaußenpolitik betrieben, und zwar angesichts der Tatsachen, die uns heute vorliegen, ohne jede Kompetenz. Da ist Außenpolitik ohne die Kompetenz gemacht worden, einzuschätzen, welche Sicherheitsrelevanz das eigentlich haben kann.

(Beifall bei der FDP)

Ich nenne nur mal ein paar Beispiele. Sellering reist 2014 zu einer Wirtschaftsreise nach Russland und lässt sich nach der Krimannexion noch auf einem Empfang von Nord Stream zu Ehren Gerhard Schröders blicken. 2016, auf dem zweiten Russlandtag, sagt er – der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern! –: Die Sanktionen gegen Russland müssen abgeschafft werden. Die Gäste des Russlandtages waren übrigens bis zum Schluss keiner Sicherheitsüberprüfung unterworfen; so etwas gab es überhaupt nicht.

Wenn ich heute sage: „Es braucht mehr als den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss; es braucht wahrscheinlich sogar einen Sonderermittler, der aufklärt“, dann warne ich jetzt schon davor, dass die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern darauf kommt, es so wie in Hamburg zu machen und einen sozialdemokratischen Genossen mit Russlandvergangenheit zu nehmen, vor dem der Verfassungsschutz warnt. Dieser Sonderermittler sollte wirklich neutral sein.

(Beifall bei der FDP)

Das Abhängigkeitsverhältnis der Landesregierung zu Russland ist doch mehr als offenbar.

Und jetzt die Vorwürfe der letzten Tage rund um die Stiftung. Im April 2022 hat sich der Finanzminister noch auf das Steuergeheimnis berufen. Die Justizministerin, so wissen wir, hat seit Mai 2022 von diesen Vorwürfen Kenntnis gehabt. Sie ist nun wirklich nicht an das Steuergeheimnis gebunden gewesen – unabhängig davon, dass heute in einer Mitteilung der Stiftung steht, dass das Steuergeheimnis im Mai schon aufgehoben worden war und jeder die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Wo ist denn hier das Fingerspitzengefühl einer Landesregierung, die bei der öffentlichen Debatte rund um die Stiftung hätte erkennen müssen, dass es notwendig gewesen wäre, Öffentlichkeit herzustellen oder zumindest dem Parlament Bescheid zu sagen, was mit den Steuerakten geschehen ist? Wo sind denn eigentlich die Steuernummern der beiden Vorgänge? Es sind ja zwei Einzahlungen gewesen. Wo ist zumindest mal die Nummer eines Vorgangs in einem Finanzamt? Warum wird nicht besprochen, dass die Steuererklärung nicht nur in Rostock eingegangen ist, sondern sechs Monate später auch in Ribnitz-Damgarten, obwohl das Gesetz was ganz anderes vorgibt? Warum ist bis jetzt noch nicht angesprochen worden, dass bei dieser Landessteuer, bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ganz offensichtlich auch schon im Verfahren einiges im Argen liegt?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Ich meine, die Nebenaußenpolitik der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern sollte uns nicht nur zu denken geben, sondern zeigen, dass diese diesem kleinen Bundesland nicht gelungen ist. Die Vorgänge rund um die Stiftung zeigen, dass das Vertrauen in die Demokratie verloren gegangen ist. Das müssen wir mühevoll wieder aufbauen. Jeder sollte jetzt auch angesichts der politischen Konsequenzen etwas dazu beitragen, dass – neben dem verlorengegangenen Vertrauen in die Politik und in die Demokratie – das Vertrauen in unsere Institutionen wiederhergestellt wird; denn es kann nicht sein, dass bei den Bürgern der Eindruck erweckt wird, dass in einem Finanzamt ganz offensichtlich manche eine wichtigere Rolle spielen als andere Bürger.

Ich bin übrigens mit meiner Firma beim Finanzamt Ribnitz-Damgarten.

(Timon Gremmels [SPD]: Dann können Sie ja auch mal Ihre Steuern offenlegen!)

Herr Kollege.

Ich habe mich bis jetzt dort immer gut behandelt gefühlt und nie festgestellt, dass da je nach Nase behandelt wird. Also, es gibt nur eins: Sonderermittlung!

Ihre Redezeit war vorbei gewesen, als Sie Ihre persönlichen Outings hier vorgetragen haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ach, die war schon vorbei? Es gibt ja so viel zu sagen. Ich entschuldige mich recht herzlich und wünsche der SPD eine gute Aufklärung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Philipp Amthor hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551192
Wahlperiode 20
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Klimastiftung Mecklenburg- Vorpommern
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