Katrin StafflerCDU/CSU - Akademische und berufliche Bildung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie entsteht der Fachkräftemangel? Die Rechnung ist relativ einfach. Ich habe das hier schon vor einiger Zeit gesagt, aber es lohnt sich, das zu wiederholen. Wir haben auf der einen Seite die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, die zunehmend zurückgeht. Auf der anderen Seite haben wir immer mehr ältere Menschen, die den Arbeitsmarkt verlassen. Rückgang und Rückgang, das hat damals nichts Gutes bedeutet, und das tut es heute noch sehr viel weniger. Das Ergebnis ist gleichermaßen einleuchtend wie dramatisch: Wir stehen vor eklatanten Problemen, was die Fachkräftesicherung und die Akquise von gut ausgebildeten jungen Menschen anbelangt.
Gestern ist der Berufsbildungsbericht 2023 im Kabinett beraten worden. Die Zahlen sind – das muss man leider so deutlich sagen – erschreckend. 2,64 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren haben im Jahr 2021 keine Berufsausbildung gehabt. 2020 waren es noch 2,33 Millionen. Damit ist der Anteil der jungen Menschen ohne Berufsabschluss in dieser Altersgruppe in nur einem einzigen Jahr von 15,5 auf 17,8 Prozent gestiegen. Jetzt ist der Anstieg der Zahl der Unqualifizierten die eine Seite. Auf der anderen Seite schaut es aber auch nicht besser aus. Die jüngsten Daten vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft zeigen uns, dass es im Jahr 2022 für mehr als 630 000 offene Stellen schon rechnerisch keine passend qualifizierten Arbeitslosen gegeben hat. Die Dimensionen, die wir beim Fach- und Arbeitskräftemangel erreichen, werden immer größer; die Zahlen steigen. Die Fachkräftelücke ist größer als je zuvor.
Jetzt ist diese Tatsache nicht komplett neu; das haben wir heute schon gehört. Aber genau deswegen sind wir das Thema bereits in der vergangenen Wahlperiode angegangen. So haben wir im Jahr 2020 das Aufstiegs-BAföG durch höhere Fördersätze, höhere Zuschussanteile und höhere Darlehensanteile verbessert. Mit der Novelle haben wir eines ganz deutlich gemacht, nämlich dass uns die berufliche Bildung genauso wichtig ist wie die akademische Bildung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit der Aufstiegsfortbildung ist möglich geworden, dass jeder Einzelne sein Fachwissen an neue Anforderungen anpassen kann, dass er es erweitern kann. Das macht jedem einzelnen jungen Menschen den Weg frei zum Meister, zum Techniker, zum Fach- und Betriebswirt und zu vielem mehr. Die Aufstiegsfortbildung ist also eine der entscheidenden Faktoren, wenn es darum geht, Fachkräfte auszubilden und in letzter Konsequenz natürlich auch Beschäftigungsmöglichkeiten in unserem Land zu halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, Sie beschäftigen sich ja sehr gerne und ausschweifend mit dem BAföG. Das ist gut. Das ist auch richtig; da gibt es etwas zu tun. Es fehlt im Moment zwar noch das Ergebnis in Form von konkreten Maßnahmen, aber gut, das kann man an der Stelle weglassen. Nur leider sind wir in der Vergangenheit den Eindruck nicht losgeworden, dass Sie die andere Säule, nämlich die berufliche Bildung, vergessen und sträflich vernachlässigt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen ist am Ende positiv zu werten, dass Sie jetzt einen Referentenentwurf zur Änderung von § 10 Absatz 1 des AFBG vorgelegt haben.
Um ehrlich zu sein, war es jetzt auch höchste Zeit, dass ein konkreter Entwurf vorgelegt wird. Aber schade ist, dass trotzdem so viele offene Fragen im Raum bleiben. Vielleicht bringt die Debatte im weiteren Verlauf an der einen oder anderen Stelle noch Licht ins Dunkel. Da wäre von mir aus auch noch die Frage zu beantworten, warum die Verbände nur zwei Tage Zeit haben, um den Entwurf zu bewerten. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass Ihnen das völlig wurscht ist, dass Sie überhaupt keine fundierte Einschätzung wollen. Aber vielleicht gibt es andere Gründe dafür. Weil Sie einmal angefangen haben, sich mit dem AFBG zu beschäftigen, haben Sie vielleicht auch noch den Mut, sich der Beschlussempfehlung des Bundesrats vom 3. März anzuschließen. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung heißt in aller Konsequenz nämlich auch, dass die Meisterausbildung genauso kostenfrei sein muss wie das Studium.
(Nicole Höchst [AfD]: Hört! Hört!)
Wenn Sie es mit der Gleichwertigkeit am Ende des Tages ernst meinen, dann, so würde ich sagen, springen Sie doch einfach einmal über Ihren Schatten und übernehmen die Forderungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Herz schlägt für die berufliche Bildung. Wir sind bereit, die vor uns liegenden großen Aufgaben – wir haben heute immer wieder gehört, wie groß die Aufgaben sind – gemeinsam mit Ihnen konstruktiv anzupacken. Wir sind dazu bereit, weil uns die berufliche Bildung wirklich am Herzen liegt. Lassen Sie uns deswegen gemeinsam dafür sorgen, den jungen Menschen wieder Lust an der Ausbildung zu geben und dass sie die Ausbildung im besten Fall sogar meisterlich abschließen können!
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Dr. Anja Reinalter.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553790 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Akademische und berufliche Bildung |