Uli GrötschSPD - Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke mir oft: Vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte ist es eigentlich ein Wunder, dass die Franzosen überhaupt noch mit uns reden. Erst recht ein Wunder ist es, dass zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen unseren beiden Ländern, diese tiefe Freundschaft und Verbundenheit entstehen konnte, die wir alle schätzen und für die wir arbeiten. Ich sage das, weil es mir eigentlich schwerfällt, über die Franzosen, über Frankreich zu sprechen, ohne dass Franzosen dabei sind. Und trotzdem: Das Ausmaß von Gewalt und Zerstörung in Frankreich ist erschreckend: Tausende angezündete Autos, zerstörte und geplünderte Geschäfte, Hunderte beschädigte Schulen, Kindergärten und Polizeiwachen und deutlich über 1 000 Festnahmen. Das ist das vorläufige Ergebnis der gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizei und Randalierern. Ich will das ganz deutlich sagen: Nichts – keine Wut, keine Frustration und kein Gefühl der Ausgrenzung – rechtfertigt jemals Gewalt. Gewalt ist niemals ein Mittel des Protests.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber machen wir uns nichts vor: Auch unsere Gesellschaft ist gespalten, bedroht von Spaltern, geprägt von den Krisen unserer Zeit. Der Zusammenhalt bröckelt, und die Demokratiezufriedenheit ist nicht so hoch, wie wir alle es uns wünschen würden.
(Zuruf von der AfD: Sie sind schuld!)
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte 2022 mehr Anfragen als jemals zuvor. Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung schreibt in ihrem Bericht, dass mehr als jeder Fünfte in unserem Land Rassismus selbst erfahren hat.
(Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Demokratiefeinde greifen uns jeden Tag aufs Neue mit Hass, Hetze und verfassungsfeindlicher Propaganda an.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Geschürt von der rechten Ecke da!)
Und jeden Tag aufs Neue müssen wir alle uns hinter unsere Demokratie stellen und sie verteidigen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das tun Sie ja nicht!)
Unsere Antwort auf solche Angriffe muss jedes Mal ein noch stärkerer Staat sein, der für die Bürgerinnen und Bürger da ist. Damit meine ich in erster Linie einen noch stärkeren Sozialstaat und Politik nah an den Bedürfnissen und am Gefühl der Menschen.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Frankreich ist ein starker Sozialstaat, und sie haben diese Probleme – wegen Migration! Sehen Sie es ein!)
Wir haben die Grundrente für über 1 Million Menschen geschaffen, Ost- und Westrenten sind angeglichen, im Juli gibt es durchschnittlich 5 Prozent mehr Rente. Damit meine ich aber auch stärkere Sicherheitsbehörden. Wir haben in den letzten zehn Jahren mehr als 12 000 Stellen nur bei der Bundespolizei geschaffen. Wir haben das Bundeskriminalamt und alle anderen Sicherheitsbehörden gestärkt. Wir haben mit mehreren Entlastungspaketen zig Milliarden Euro dafür ausgegeben, die Menschen in unserem Land gut durch die Krisen in den letzten Jahren zu führen. Es gibt seit Anfang des Jahres mehr Kindergeld pro Kind, höheres Wohngeld für einen größeren Empfängerkreis, mehr BAföG, einen Mindestlohn von bald über 12 Euro die Stunde bzw. – wenn es nach uns geht – von bald über 14 Euro.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit „starker Staat“ meine ich auch unseren Rechtsstaat. In der letzten Regierung hat unsere SPD-Justizministerin den Pakt für den Rechtsstaat mit den Bundesländern initiiert, der die Einrichtung von 2 000 neuen Stellen für Richterinnen und Richter sowie für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte beinhaltete. Die Fortschrittskoalition – die Ampelkoalition –
(Lachen des Abg. René Bochmann [AfD])
wird diesen Pakt verstetigen. Die Strafe muss auf dem Fuß folgen. Dafür brauchen wir mehr Personal, auch im Justizbereich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Fortschrittskoalition hat sich zum Ziel gesetzt, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, Demokratiearbeit aktiv und verstärkt zu fördern, zum Beispiel über die Bundeszentrale für politische Bildung, aber auch mit den vielen staatlich geförderten zivilen NGOs, die in der Fläche, vor Ort für unsere Gesellschaft arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns wurde am Dienstag im Innenausschuss der Verfassungsschutzbericht vorgestellt, und wir haben über ihn diskutiert. Auch in diesem Jahr zeigt sich, dass die größte Bedrohung für unser Land, für den Zusammenhalt, für ein freiheitliches und demokratisches Deutschland – niemanden wird es überraschen – von rechts kommt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD)
Die Feinde der Demokratie wollen unsere Gesellschaft durch Hass und Hetze – wir haben es eben wieder gehört – auseinanderdividieren. Sie wollten im Dezember sogar mit einem Staatsstreich die Regierung stürzen,
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
mithilfe einer – auch davon wird niemand überrascht sein – ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten. Ich zitiere aus dem Abschlussbericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit: Die AfD ist „die einzige Partei im Bundestag mit einem manifesten muslimfeindlichen Programm.“
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Linker Unsinn!)
Ich sage zum Ende, Frau Präsidentin: Wer keine Verhältnisse wie in Frankreich will, der muss gegen Extremisten, gegen Verfassungsfeinde, gegen die Antidemokraten, gegen Spalter und ihre rassistischen Erzählungen jeden Tag Flagge zeigen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das tun wir, die demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag, –
Herr Kollege.
– jeder auf seine Art und Weise.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556160 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland |