Wiebke EsdarSPD - Bildung und Forschung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 150 Millionen Euro hat der Haushaltsausschuss in diesem Jahr dem Bildungs- und Forschungsministerium für eine umfassende BAföG-Reform zur Verfügung gestellt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir werden damit die alte Tante BAföG modernisieren und an die Lebensrealität der Studierenden von heute anpassen, beispielsweise mit einer Studienstarthilfe.
Alle, die schon einmal ein Studium aufgenommen haben, wissen: Bevor die erste Vorlesung besucht wird, muss schon einmal der Semesterbeitrag überwiesen werden. Dann braucht man einen gescheiten Laptop, ohne den ein Studium heute nicht mehr denkbar ist, und wer nicht am Wohnort studiert, braucht auch noch Miete, Mietkaution und die Erstausstattung der neuen Unterkunft. Was ist, wenn die Eltern nicht so unterstützen können, dass sie dies finanzieren, oder das Gesparte nicht reicht?
Mit der anstehenden BAföG-Reform werden wir mit diesem Faktor der Bildungsungerechtigkeit – denn es gibt sie, die jungen Leute, die talentiert sind und wegen dieser Ungerechtigkeit heute kein Studium aufnehmen können – endlich Schluss machen und eine Studienstarthilfe in Höhe von etwa 1 000 Euro einführen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir werden auch das BAföG weiter reformieren: Wir wollen die Elternfreibeträge anheben, die Förderhöchstdauer verlängern. Wir wollen den Studienfachwechsel auch in einem späteren Semester noch möglich machen, und wir wollen, dass endlich noch mehr Studierende BAföG bekommen.
Meine Damen und Herren, wir haben aber auch mit dem vorgelegten Referentenentwurf das Ziel noch nicht erreicht; denn wir haben im Koalitionsvertrag und in einem gemeinsamen Entschließungsantrag auch vereinbart, dass Freibeträge und Bedarfssätze weiter und künftig regelmäßiger angepasst werden müssen. Wenn wir im Haushaltsausschuss 150 Millionen Euro für dieses Jahr bereitstellen, dann reicht ein Ansatz von 62 Millionen Euro an der Stelle nicht aus. Dafür werden wir uns in den nächsten Monaten einsetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, in Gänze liegt uns ein Haushaltsentwurf des BMBF vor, der mit 21,5 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert aufweist. In den parlamentarischen Verhandlungen haben wir noch zusätzliche Mittel akquiriert. Aber wir müssen auch berücksichtigen, dass der Aufstieg der Tatsache geschuldet ist, dass restliche Mittel aus dem Digitalpakt umgebucht worden sind, die im Einzelplan 60 veranschlagt wurden. Wir haben Kürzungen, weil Sondereffekte aufgrund von Coronaeinmalzahlungen ausgebucht werden, sodass man schon sagen muss, dass die Frage, ob dieser Haushaltsansatz sinkt oder steigt, schnell zu Missinterpretationen führt.
Ein Punkt ist bei der Betrachtung des gesamten Haushalts aber noch wichtig, und zwar, dass wir schmerzhafte Kürzungsvorschläge hatten, die wir aber zurückgenommen haben; Christoph Meyer hat darauf schon hingewiesen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei Christoph Meyer und Bruno Hönel für die gute Zusammenarbeit bedanken, weil wir es in dieser Ampelkoalition geschafft haben, dass beispielsweise in der Batteriezellenforschung oder bei den synthetischen Kraftstoffen die Kürzungen zurückgenommen werden konnten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielmehr haben wir es sogar geschafft, das Translationszentrum für Gen- und Zelltherapie und das Röntgenmikroskop Petra zu stärken und die Machbarkeitsstudie für das Einstein-Teleskop zu finanzieren.
Wir müssen, wenn wir den gesamten Haushalt betrachten, auch sehen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts natürlich auch auf diesen BMBF-Haushalt einen Effekt hatte. Zu den eh schon vorgesehenen Einsparungen wurde von der Bundesregierung vereinbart, um weitere 200 Millionen Euro zu kürzen, und zwar über die GMA, die globale Minderausgabe.
Da stellt sich erst mal die Frage: Was ist die globale Minderausgabe? Der Haushalt ist ja so aufgebaut, dass wir Titel haben. Das sind mit Ziffern und Bezeichnungen versehene Kapitel, in denen festgelegt wird, wieviel Geld wofür vorgesehen ist: Summe x für berufliche Bildung, Summe y für die Forschung zur künstlichen Intelligenz, Summe z für Gesundheitsforschung. Und dann können wir bei der Gesundheitsforschung jeweils noch mal genauer betrachten: so viel Mittel für die Forschung an Long Covid, so viel für Frauengesundheit usw. Das machen wir, weil wir politisch diskutieren und dann auch entscheiden wollen, wofür genau wie viel Geld ausgegeben wird.
Diese globale Minderausgabe sieht vor, dass es eine Kürzung gibt, die im Laufe des Jahres erwirtschaftet wird, wie man es so schön sagt. Das heißt, das Haus entscheidet, dass weitere Kürzungen möglich sind. Das ist erst einmal ganz normal, weil es immer wieder ein Projekt gibt, das später an den Start geht, weil etwas günstiger wird. Darum ist die Frage nicht, ob eine globale Minderausgabe gut oder schlecht ist, sondern die Frage ist: Wie hoch darf sie sein, und wie gehen wir parlamentarisch damit um?
(Stephan Albani [CDU/CSU]: Die Frage ist: Vertrauen Sie dem Parlament?)
Die Frage ist also: Wie hoch darf sie sein? Wenn wir in die fachwissenschaftliche Literatur gucken, dann wird im Normalzustand von bis zu 2 Prozent ausgegangen. Wenn wir den Vergleich zu anderen Ministerien sehen, dann sehen wir mit 1,6 Prozent die zweithöchste GMA beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. In der Vergangenheit lag die GMA beim BMBF schon mal bei über 3 Prozent; aber die 3,9 Prozent GMA, die wir in diesem Jahr haben, sind Rekord, und sie ist, da sie so hoch ist, parlamentarisch zu begleiten.
Wenn wir sagen, sie ist parlamentarisch zu begleiten, dann gibt es, glaube ich, zwei wichtige Sachen. Denn wir wollen ja nicht bei der Analyse stehen bleiben, sondern die Frage ist: Was ist zu tun?
Das Erste ist, das es eine klare Erwartungshaltung der Koalition gibt. Es gibt aber auch überhaupt keinen Dissens zwischen den Parlamentariern und dem Haus, dass diese GMA im nächsten Jahr wieder sinken muss. Das kennt das Haus schon. Wir haben beispielsweise von 2015 auf 2016 die GMA um 40 Prozent gesenkt, also fast halbiert, und die Erwartungshaltung ist, dass wir das für den Haushalt 2025 auch hinbekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bleibt die Frage: Was tun im Jahr 2024? Als Parlament haben wir einen klaren Maßgabebeschluss gefasst. Dieser Maßgabebeschluss sieht vor, dass wir das mit einem Reportingsystem eng begleiten. Alle drei Monate, jedes Quartal, werden wir das Haus berichten lassen und gucken: Wo sind denn die Minderabflüsse? Wo sind denn die Themen, damit das Geld – die 845 Millionen Euro, um die es geht – auch zusammenkommt?
(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das sind Strafarbeiten!)
Das werden wir begleiten.
Durch einen zusätzlichen Maßgabebeschluss haben wir aber auch sichergestellt, dass die Projekte, die uns parlamentarisch besonders wichtig sind, beispielsweise der BAföG-Beschluss – weiterhin unsere klare Erwartungshaltung –, vollumfänglich umgesetzt werden.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, wir werden mit diesem Haushalt trotz schwieriger, sehr angespannter Haushaltslage viele wirklich wichtige Forschungs- und Bildungsprojekte umsetzen können. Die kann ich gar nicht alle aufzählen. Aber ein Schwerpunkt, der mir wirklich schon sehr lange – auch in meiner ehrenamtlichen Arbeit – am Herzen liegt, ist der Kampf gegen Antisemitismus.
Über den gesamten Haushalt des Bundes werden wir jetzt noch einmal mehr als 100 Millionen Euro zusätzlich für den Kampf gegen Antisemitismus zur Verfügung stellen. Im BMBF-Haushalt sind das die parlamentarischen Initiativen zur Stärkung der Minerva Stiftung, des Tikvah Instituts und der MIND gGmbH. Wir haben bereits im letzten Jahr begonnen, eine Konfliktakademie an der Universität Bielefeld aufzubauen. Die wird in diesem Jahr an den Start gehen. Wir haben die Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung zurückgenommen, genauso wie die bei den Respekt Coaches und bei den Freiwilligendiensten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn es ist doch klar, dass es Demokratie nicht umsonst gibt. Wir werden als Ampelkoalition in diesem Haushalt einen starken finanziellen Rahmen für Demokratie, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt beschließen.
(Zuruf von der AfD: Kann man nicht kaufen!)
Wir werden weiterhin das ganze Jahr die Aufgabe sehen, diese Demokratie zu stärken. Aber es gehört auch zu einem vollständigen Bild dazu, dass das nur ein Baustein sein kann.
Ein anderer Baustein ist, dass ganz viele Menschen in diesen Tagen auf die Straße gehen, Zeichen gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, für die Demokratie, für ein solidarisches Miteinander setzen. Das muss ein weiterer Baustein sein.
In diesem Sinne will ich damit schließen, dass meine Bitte an Sie alle ist, dass wir in diesem Jahr alle gemeinsam das ganze Jahr über zur Verteidigung unserer Demokratie zusammenstehen und dafür kämpfen.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Esdar. – Nächster Redner ist der Kollege Bruno Hönel, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7606402 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |