Bruno HönelDIE GRÜNEN - Bildung und Forschung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wenn ich die AfD von den deutschen Dichtern und Denkern reden höre, muss ich erst mal an das Interview mit Tino Chrupalla denken, in dem er nach seinem deutschen Lieblingsgedicht gefragt wurde und ihm kein einziges Gedicht eingefallen ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie können noch nicht mal die Nationalhymne!)
Das ist schon einigermaßen ironisch, Frau Höchst.
Zum Haushalt. Der Haushaltsentwurf wurde unter sehr schwierigen Bedingungen aufgestellt. An vielen Stellen mussten schmerzhafte Sparbeträge erbracht werden. Das Bildungs- und Forschungsministerium wurde davon zu Recht verschont.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Etat wächst weiter an, um mehr als 800 Millionen Euro auf 22,3 Milliarden Euro. Das ist in absoluten Zahlen ein Plus von 5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau und bedeutet wie übrigens in jedem Ampeljahr Rekordausgaben für Bildung und Forschung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
In Anbetracht der Herausforderungen hat die Bildungsministerin uns hier einen soliden Haushaltsentwurf vorgelegt, der vor allem mehr Chancengerechtigkeit bringen wird, aber eben auch wichtige Investitionen in Menschen, ihre Bildungswege und auch in Zukunftstechnologien enthält. Und das finden wir Grüne richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ein paar Punkte möchte ich herausgreifen. Es freut mich sehr, dass in diesem Jahr das Startchancen-Programm an den Start gegangen ist. Wir stellen zusammen mit den Ländern insgesamt 20 Milliarden Euro bereit, um benachteiligte Schülerinnen und Schüler besonders zu unterstützen. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft gibt uns da jetzt Rückenwind; darauf hat die Bildungsministerin hingewiesen. Denn neben mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem kann das Programm auch einen fiskalischen Mehrwert von über 100 Milliarden Euro schaffen. Dies zeigt erneut: Jeder Euro, der in Bildung investiert ist, ist gut investiert und kommt um ein Vielfaches zurück. Das ist ein großer bildungspolitischer Erfolg dieser Ampelkoalition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
An dieser Stelle möchte ich auch ganz kurz auf das eingehen, was Sie, Frau Schön, hier vorgetragen haben. Sie stellen sich hier erneut als Kämpferin für das Startchancen-Programm oder den Digitalpakt dar.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Nee! Ganz sicher nicht!)
Ich muss Ihnen einfach sagen, dass ich das ein bisschen unehrlich finde und hier auch korrigieren muss. Wir kennen ja die Kürzungsliste der Union, seit Ihr Chefhaushälter, Herr Middelberg, seine Vorstellungen zur Konsolidierung des Haushaltes mit uns geteilt hat. Wir wissen also, was passiert wäre, wenn Sie jetzt an unserer Stelle stünden
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Das ist ja wohl total unredlich!)
und die Regierungspolitik und diesen Haushalt zu verantworten hätten. Sie hätten genau da, wo Sie aus Ihrer Oppositionsrolle heraus höhere Ausgaben fordern,
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Das ist doch Käse!)
in Regierungsverantwortung radikal gekürzt,
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Nein! Nein!)
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Deswegen noch einmal fürs Protokoll, damit man es nachvollziehen kann: Im März letzten Jahres gab es einen Unionsantrag, der einen schnelleren Start des Startchancen-Programms gefordert hat. Im Juli 2024 fordert Ihr Haushälter Middelberg die Streichung des Programms. Auf Ihrem Parteitag im Mai haben Sie die Fortsetzung des Digitalpaktes gefordert. Nur zwei Monate später wollen die CDU/CSU-Haushälter den Digitalpakt eindampfen.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Das ist jetzt frech, Herr Hönel!)
Ich kann nur mutmaßen, dass Sie selber nicht wissen, was Sie eigentlich wollen, oder einfach nicht miteinander reden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vielleicht ist es auch ein Ergebnis des Vorwahlkampfes; ich weiß es nicht. Aber es ist mir herzlich egal.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union kann nicht mal Opposition! Die Union kann nicht regieren und auch nicht opponieren!)
Was ich weiß, ist: Mit uns, mit der Ampelkoalition, wird es keine Kürzungen im Bereich „Bildung und Forschung“ geben, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Herr Hönel, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Ja, bitte.
Erst mal: Guten Tag!
Meine Zeit läuft noch, Frau Präsidentin! Es waren jetzt so zehn Sekunden.
(Otto Fricke [FDP]: Das war eine Minute! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Hönel, mir ist es wichtig, etwas klarzustellen, weil es nicht sein kann, dass Sie hier am Rednerpult falsche Aussagen treffen.
Es gibt keinerlei Beschlüsse unserer Fraktion, dass wir den Digitalpakt streichen oder kürzen wollen. Im Gegenteil: Wir haben im Mai als Bundespartei auf unserem Parteitag einen Beschluss gefasst, dass wir den Digitalpakt fortsetzen wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier nicht um Parteitage, sondern um den Bundestag!)
Das ist Konsens zwischen Vertretern unserer Partei aus Bund, Ländern und Kommunen.
Die FDP konnte sich zu diesem Beschluss auf ihrem Parteitag vier Wochen vorher nicht durchringen. Und Fakt ist, dass diese Ampelkoalition bis heute keinen Digitalpakt verhandeln konnte und der alte Digitalpakt mittlerweile ausgelaufen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ria Schröder [FDP]: So ein Quatsch!)
Ich würde Sie gerne bitten, dies zur Kenntnis zu nehmen und hier nicht auf der Basis von einzelnen Wortmeldungen einzelner Kollegen
(Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Fraktionsvize!)
eine Linie der Gesamtfraktion zu machen, weil das die Menschen unnötig verunsichert. Es gelten die Beschlüsse, die wir gefasst haben. Und darauf würde ich gerne an dieser Stelle hinweisen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Frau Schön, es spielt nicht so eine große Rolle für unsere Arbeit im Deutschen Bundestag, was Sie auf Ihren Parteitagen beschließen.
(Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Eine Rolle spielt, was Sie beispielsweise im Haushaltsausschuss beantragen, was Sie an konkreten Vorschlägen machen. Und den einzigen konkreten Vorschlag, den ich von der Union kenne, ist die Kürzungsliste von Ihrem Chefhaushälter Middelberg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wo ist denn der Antrag?)
Von daher kann ich auch diesen Einwurf nicht verstehen, Frau Schön.
Dabei bin ich ja beim Digitalpakt mit Ihnen einer Meinung. Bei der Nachfolge steht eine Einigung mit den Ländern aus; da haben Sie völlig recht. Hier möchte ich alle Beteiligten aufrufen, konstruktiv und schnell an Lösungen zu arbeiten,
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Oh! Hört! Hört!)
damit wir beim Digitalpakt 2.0 schnell für Planungssicherheit sorgen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Auch bei den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind wir noch nicht so weit gekommen, wie wir das gern hätten.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ihr seid überhaupt nirgendwo hingekommen bisher!)
Hier erwarten wir zeitnah ein Konzept, wie sich das Ministerium vorstellt, in Zukunft eine deutliche Verbesserung zu erreichen. Befristete Verträge, der Zwang zu ständigen Ortswechseln, fehlende Zukunftsperspektiven vermiesen den klugen Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforschern den Spaß an der Forschung. Das muss sich ändern, wenn wir für den wissenschaftlichen Nachwuchs weiterhin attraktiv bleiben wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Beim BAföG haben wir ebenfalls große Fortschritte erreicht. Auch hier möchte ich noch mal auf Sie eingehen, Frau Schön. Sie haben ja recht, dass wir nicht nur eine BAföG-Reform gemacht haben, nein, wir haben in dieser Legislaturperiode direkt einmal drei BAföG-Reformen gemacht. Das ist die Wahrheit, liebe Kollegin Frau Schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die im Frühjahr beschlossene BAföG-Reform mit höheren BAföG-Sätzen, mit Flexisemester und mit Studienstarthilfe ist abgesichert. Das sind wichtige strukturelle Reformen, die für mehr Gerechtigkeit und vor allem auch für mehr Flexibilität bei Studierenden sorgen.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Weit hinter Ihren Ankündigungen!)
Das ist die Realität, sehr geehrte Kollegin Frau Schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum Abschluss noch mal über ein Thema sprechen, das mich als Politiker, aber eben auch als Psychologe sehr stark beschäftigt: die psychische Gesundheit von jungen Menschen. Ich war schockiert über eine Zahl im „Deutschen Ärzteblatt“, nämlich dass fast 40 Prozent der Schüler/-innen in Deutschland den Gedanken hatten, sich das Leben zu nehmen. Im Jahr 2023 war Suizid die häufigste Todesursache bei jungen Menschen. Besonders seit Corona haben psychische Erkrankungen, Stress und Zukunftsängste in dieser Altersgruppe zugenommen. Ich sage das, weil wir diesem Thema nicht die Aufmerksamkeit schenken, die es verdient.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber wir müssen die psychischen Belastungen junger Menschen und Krankheiten wie Depressionen, Ess- oder Angststörungen ernst nehmen; denn sie sind da, und sie werden häufiger.
Natürlich müssen wir auch Schritte einleiten, um die psychische Belastung von jungen Menschen zu reduzieren. Ich war im Vorfeld dieser Rede einmal mit der Bundesschülerkonferenz in Kontakt und verweise da gern auf ihre Forderungen: weniger Leistungsdruck, eine Stärkung der Schulpsychologie und mehr Schulsozialarbeit. Schulen müssen Orte sein, an denen sich Schülerinnen und Schüler sicher und unterstützt fühlen. Nur dann können sie ihr Potenzial auch wirklich erreichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das Startchancen-Programm ist da eine wichtige Maßnahme; aber das allein reicht nicht. Ich habe die Rolle der Pandemie angesprochen. Ich glaube – das ist meine persönliche Meinung –, dass wir als Koalition einen Vorschlag machen sollten, wie wir die Coronazeit aufarbeiten. Da geht es vor allem um Vertrauen in Politik und Lernen für die Zukunft. Es geht aber eben auch um die psychische Gesundheit von jungen Menschen. Wenn wir da jetzt nicht rangehen –
Sie kommen bitte zum Schluss, Herr Kollege.
– ich komme zum Schluss –, dann wird eine ganze Generation junger Menschen mit einem schweren Coronarucksack durch ihr Leben gehen.
Vielen Dank.
Wir sollten dafür sorgen, dass wir diesen Rucksack zumindest ein bisschen leichter machen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Thomas Jarzombek hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615064 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |