27.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 189 / Zusatzpunkt 9

Sandra DetzerDIE GRÜNEN - Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Wahlkreis ist das wunderschöne Ludwigsburg in der Region Stuttgart.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ist das nicht der Wahlkreis vom Steffen Bilger? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Da hat doch der Steffen Bilger gewonnen, glaube ich!)

Da haben große Konzerne wie Porsche, aber auch Mahle, Mann+Hummel und Bosch ihre Firmensitze. Sie arbeiten da, sind innovativ und bemühen sich um die Zukunft. Genau diese Unternehmen, die Autobauer und ihre Zulieferer, haben es verdient, dass das Auto der Zukunft auch aus Deutschland, auch aus Europa kommt, und genau diese Tendenz wollen wir unterstützen. Dieses Arbeiten an der Zukunft ist die Stoßrichtung, die wir brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In Karlsruhe in Baden-Württemberg – das ist ein bekanntes Phänomen – hat Carl Benz 1886 das Automobil erfunden, Reichspatent 37435. Und wissen Sie, was das Spannende dabei ist? Es war am Anfang absolut kein wirtschaftlicher Erfolg. Viele waren der Meinung, dass Pferdekutschen eigentlich das zentrale Fortbewegungsmittel bleiben würden.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die hat niemand verboten, die Pferdekutschen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Pferdekutschen gibt es heute noch! – Enrico Komning [AfD]: Da sind wir dann ja bald wieder!)

Da gibt es ja dieses wahnsinnig bekannte Zitat von Kaiser Wilhelm II.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Der hat sich oft getäuscht, der Kaiser Wilhelm I.!)

Er sagte: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Er hat das Pferd immerhin nicht verboten! Das war der Unterschied!)

Hätte es die CDU damals schon gegeben, hätte sie für die Pferdekutsche Partei ergriffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Pferdekutsche wurde aber nicht verboten! – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Wir hätten das Pferd nicht verhungern lassen! – Beatrix von Storch [AfD]: Da arbeiten Sie doch gerade dran!)

Das ist die Situation, in der wir sind.

Jetzt gibt es noch eine schöne Begebenheit bei der Erfindung des Automobils: Carl Benz alleine konnte nicht durchdringen; aber seine Frau konnte das. Die absolut grandiose Geschichte ist: Es brauchte eine Frau, um der Innovation, dem Neuen, auf die Sprünge zu helfen.

(Zurufe von der AfD)

Bertha Benz hat sich mit Hutnadel und Strumpfband, mit denen sie auf der Strecke die Schäden an ihrem Auto reparieren konnte, auf den Weg gemacht. Sie war die Erste, die mit dem Auto von Karlsruhe nach Pforzheim gefahren ist und damit bewiesen hat, dass das Automobil alltagstauglich ist und ihm die Zukunft gehört.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Was sind das für Geschichten? Angesichts der aktuellen Lage erzählen Sie hier Geschichten! Mein Gott! Angesichts dieser Lage, ey! – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Wer die Bertha Benz Memorial Route mal abfahren will, der ist dazu herzlich eingeladen.

Warum erzähle ich das an der Stelle?

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Ja, das frage ich mich auch, warum Sie das erzählen!)

Nicht aus Nostalgie, sondern weil ich damit sagen will, dass das Neue schon immer Schwierigkeiten hatte, zum Durchbruch zu kommen,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie brauchen echt lange zum Durchbruch, ey! Guckt euch mal die Zahlen an, was los ist hier im Land! Völlige Parallelwelt!)

und weil wir gerade in diesen Tagen die zweite Geburt des Automobils erleben, die Wandlung hin zum Software Defined Vehicle.

(Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist in diesem Fall leider nicht von primär deutschen Erfindungen getrieben. Die Zukunft des Autos ist elektrisch.

Wieder versuchen einige, uns einzureden, diese inzwischen ausgereifte und günstige Antriebsform sei noch nicht reif genug und man müsse ja unbedingt gucken, dass die Zeit des Alten noch ein bisschen weitergeht.

(Zurufe von der AfD)

So funktioniert das nicht, meine Kolleginnen und Kollegen; so verpasst man die Chancen auf den Zukunftsmärkten, und so verdaddelt man Fortschritt und Wohlstand. Wir brauchen an dieser Stelle mehr Bertha Benz und weniger Kaiser Wilhelm II.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir jetzt Flottengrenzwerte schleifen, wie Sie es in Ihren Anträgen vorschlagen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: … dann retten wir die Arbeitsplätze in Ludwigsburg!)

und 2035 als Startpunkt für saubere Autos infrage stellen, dann nehmen wir der Branche jede Planungssicherheit.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das ist eine Rede aus einem Kinderbuch für ein Kindergartenpublikum! Das ist echt unfassbar schädigend für dieses Parlament!)

Diese Planungssicherheit ist das Wichtigste, was unsere Industrie momentan braucht. In jedem Gespräch mit Unternehmen, ob mit Autobauern oder Zulieferern, gibt es eine zentrale Forderung: Setzen Sie in der Politik die richtigen Rahmenbedingungen! Geben Sie uns die Rahmenbedingungen, damit wir innovativ sein können!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja, machen Sie’s! – Zuruf des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU])

Genau diese Planungssicherheit geben momentan die europäische Regulierung und die nationale Regulierung, und genau deswegen ist es wichtig, dass wir dabei bleiben und eben nicht die Räder wieder zurückdrehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

An der Stelle ein ganz wichtiger Aspekt – Staatssekretär Michael Kellner hat es bereits gesagt –: Die deutsche Automobilindustrie ist eine Exportindustrie.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha! – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Handelsabkommen schnell auf den Weg bringen!)

Wir verdienen das Geld auf den Märkten der Zukunft, und genau deswegen ist es so wichtig, dass wir fairen Wettbewerb auf diesen globalen Märkten sicherstellen.

Es ist richtig, dass die Europäische Kommission eine Untersuchung durchgeführt hat, um die Subventionen chinesischer Autos zu überprüfen. Es ist auch richtig, wenn sie aufgrund der Zahlen dann zu dem Schluss kommt, Ausgleichszölle erheben zu wollen. Wir sollten aus Deutschland heraus alles tun, um die Kommission auf diesem Weg zu unterstützen. Wir brauchen fairen Wettbewerb und faire Handelsbedingungen, weil wir eine starke Exportnation bleiben wollen, insbesondere für den Automotive-Sektor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt lassen Sie mich das Bild noch mal ein bisschen größer ziehen,

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Oh, jetzt wird’s global!)

auf den gesamten Standort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Mein Gott!)

Es stimmt: Deutschland ist Schlusslicht beim Wachstum in der EU,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Dank Ihnen!)

weil dank der CDU-geführten Bundesregierungen kein anderes Land so abhängig war von russischem Gas.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ach herrje! Es sind halt immer die anderen schuld! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist ja lächerlich! Lächerlich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Rot-Grün hat Nord Stream 1 beschlossen!)

Es stimmt: Deutschland fehlen die Fachkräfte, weil CDU-geführte Bundesregierungen Jahrzehnte gebraucht haben, um zu akzeptieren, dass dieses Land ein Einwanderungsland ist.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Immer die anderen! – Zurufe von der AfD)

Und es stimmt: Unsere Infrastruktur zerbröselt, weil es CDU-geführte Bundesregierungen in zehn Jahren Niedrigzinsphase nicht geschafft haben, richtige Schwerpunkte zu setzen. – Das ist nicht lustig; das ist dramatisch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Immer die anderen! Wer ist in Dresden der Baudezernent? – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Peinlich, peinlich! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Man denke nur an das Dilettantentrio Ramsauer, Dobrindt und Scheuer in der Verkehrspolitik – eine absolute Katastrophe. Das kann man nicht in zwei Jahren aufräumen. Aber wir sind dran, meine Damen und Herren, und werden damit weitermachen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Koalition hat unter schwersten Voraussetzungen viele der Versäumnisse nachgeholt: Der Ausbau der Erneuerbaren ist auf Rekordniveau. Die Einwanderung von Fachkräften ist leichter geworden. Wir bauen Bürokratie ab.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Also alles super!)

Industrieanlagen können jetzt in sieben Monaten entstehen. Die Zahl der Gründungen steigt. Wir haben das BAföG erhöht, und die Anerkennung informeller Qualifikationen wird leichter.

Das alles reicht nicht, natürlich nicht. Unsere Aufgabe ist es aber, weiter Planbarkeit zu schaffen und verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie leben in einer parallelen Realität!)

Wir freuen uns über all diejenigen, die mit Elan mitmachen, insbesondere die innovativen Unternehmen, die wir haben.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Welche denn?)

Sie haben in der Vergangenheit bewiesen: Sie können Wandel, sie können Zukunft. Machen Sie mit, damit dieses wunderbare Land wieder zu einem der stärksten Wirtschaftsstandorte der Welt wird!

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Mein Gott! Parallelwelt, ey! Parallelwelt!)

Reinhard Houben für die FDP-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der musste auch ein bisschen lachen über die Rede gerade!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615921
Wahlperiode 20
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland
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