Katharina DrögeDIE GRÜNEN - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Merz, Sie haben ja in Ihrer Rede eine klare Frage gestellt, und auf diese möchte ich Ihnen eine klare Antwort geben. Sie haben uns gefragt, was Sie dafür können, dass es unsere Industrie und unsere Wirtschaft aktuell so schwer haben. Um Ihnen darauf eine Antwort zu geben, möchte ich Sie mitnehmen in den Januar 2022. Das war, deutlich bevor Putin die Ukraine angegriffen hat. Das war, wenige Wochen nachdem wir Grünen das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier übernommen haben. In diesem Januar bekam ich einen Anruf von einem Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium, der mir sagte: Katharina, halt dich fest; die Gasspeicher sind leer. – Dass die Gasspeicher leer sind, hätte ein CDU-Wirtschaftsminister, hätte er hingeschaut, wissen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Denn das, was passiert ist in dieser Zeit, ist, dass Putin ganz strategisch unsere Gasspeicher leerverkauft hat, um uns maximal abhängig, um uns maximal empfindlich und verwundbar zu machen, wenn er die Ukraine angreift.
(Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Und wenn Sie wissen wollen, was Ihre Verantwortung darüber hinaus ist, dann nehme ich Sie mit in das Jahr 2015. Das Jahr 2015 ist nicht nur das Jahr, als wichtige Verträge mit Blick auf Nord Stream II verhandelt wurden. Das Jahr 2015 ist auch ein Jahr, wo in merkwürdiger Koexistenz zahlreiche Entscheidungen zum Verkauf von Energieinfrastruktur an Gazprom und an Rosneft getroffen wurden.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sigmar Gabriel!)
In diesem Jahr ist ganz strategisch ein zentraler Teil der deutschen Energieinfrastruktur an russische Konzerne verkauft worden. Und Sie wussten das als Bundesregierung. Es war Ihre Bundeskanzlerin, die auf eine Anfrage meiner Bundestagsfraktion geantwortet hat, dass sie all das sieht und vorhat, gar nichts dagegen zu unternehmen.
(Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU] weist auf die SPD-Fraktion – Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU] deutet auf die Regierungsbank)
Das ist die Verantwortung von 16 Jahren CDU-Regierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das ist die Verantwortung, weshalb ausgerechnet dieses Land so empfindlich war angesichts des Schocks, den Wladimir Putin dann ausgelöst hat, als er nicht nur einen heißen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat,
(Zurufe von der AfD)
sondern gleichzeitig auch noch einen Wirtschafts- und Energiekrieg gegen Europa begonnen hat. Es ist Ihre Verantwortung, dass dieses Land dasjenige in der Europäischen Union ist, das am härtesten getroffen werden konnte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Von Ihnen hat man nichts dazu gehört, nicht mal eine Entschuldigung. Es gibt nicht mal den Willen, das Ganze ordentlich aufzuklären. Es wäre Ihre Verantwortung als CDU/CSU, hier mit gutem Beispiel voranzugehen und zu sagen: Wir klären unseren Teil der Geschichte.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Welchen Teil der Geschichte? – Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Dann ist es nämlich leichter, mit dem Finger auch auf andere zu zeigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das Zweite ist: Sie haben ja gesagt, Sie würden gerne über die europäische Asylpolitik sprechen, und Sie haben dem Kanzler vorgeworfen, dass er das nicht getan hat. Ich habe Ihre Rede sehr genau angehört. Das Einzige, was Sie nicht gemacht haben, ist, über europäische Asylpolitik zu sprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört!)
Das Einzige, was Sie gemacht haben, ist, über nationale Asylpolitik zu sprechen, und das hat auch einen Grund. Denn wenn man das macht, was Sie vorschlagen, wenn man das macht, was Ihre Idee ist für die Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland, dann ist das das Ende der europäischen Asylpolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie schlagen vor, dass Deutschland die Grenzen schließt. Sie schlagen vor, dass wir beschließen, unsere Probleme nur noch alleine lösen zu wollen,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das wollen wir!)
und die Probleme der anderen überlassen wir dann anderen. Sie schlagen vor, dass wir am Ende die Abkehr von dem Grundgedanken der Europäischen Union vollziehen, der besagt: Unsere Verantwortung ist, Herausforderungen gemeinsam zu lösen.
Und weil Sie das wissen, weil das eine europapolitische Bankrotterklärung in der Asylpolitik von Ihnen ist, haben Sie sich jetzt hier auf ein Scheingefecht mit dem Bundeskanzler eingelassen, statt mal zu Ihrer Verantwortung zu stehen und zu sagen:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es sind die konservativen Parteien in Europa, die verhindern, dass wir einen fairen Verteilschlüssel haben. Es sind die konservativen Parteien in Europa, die nicht dafür sorgen, dass wir Solidarität und Humanität sowie Ordnung gemeinsam regeln.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Sie als Vorsitzender einer der größten europäischen konservativen Parteien hätten hier eine Verantwortung, das in Europa zu regeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wer regiert eigentlich in Deutschland?)
Und dann haben Sie sehr genau hingehört, was andere nicht sagen, und ich habe auch sehr genau hingehört, was Sie in Ihrer Rede nicht gesagt haben. Das Wort „Klimaschutz“ kam in Ihrer Rede nicht vor.
(Lachen und Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU])
Es ist auch kein Wunder, dass das Wort „Klimaschutz“ in Ihrer Rede nicht vorkam. Denn das, was Ihre Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen macht, ist mit Blick auf Klimaschutz sogar stark. Der Green Deal für Europa ist das größte Versprechen, dass dieser Kontinent es schaffen wird, bis zum Jahre 2050 klimaneutral zu sein. Es ist das Versprechen, dass die Europäische Union der erste Kontinent der Welt ist, der klimaneutral ist. Und statt sich dahinterzustellen und zu sagen: „Ich bin stolz auf die Kommissionspräsidentin, die diese wichtige Entscheidung getroffen hat“, sind Sie derjenige, der jede einzelne dieser Maßnahmen torpediert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie sind derjenige, der versucht, jede einzelne Maßnahme, die mehr Klimaschutz bringt, im Endeffekt kaputtzumachen. Sie haben sich entschieden, der Verteidiger von Atomkraft, Ölheizungen und dem fossilen Verbrennungsmotor zu werden. Sie sind der Gralshüter von veralteten Technologien des letzten Jahrtausends, die teuer, klimaschädlich, hochriskant und unwirtschaftlich sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn König [AfD]: Sie reden vom 16. Jahrhundert?)
Und das Schlimme ist: Sie machen das ja nicht, weil Sie daran glauben, dass das so ist. Sie wissen ja selbst, dass die Atomkraftwerke nie wieder angeschaltet werden. Sie wissen ja selbst, dass die Kohlebagger bald stillstehen werden. Sie wissen ja selbst, dass es komplett sinnlos ist, jetzt noch eine Ölheizung zu kaufen.
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Und ja, Sie wissen auch, dass Tausende Arbeitsplätze in der Europäischen Union davon abhängen, dass unsere Automobilindustrie endlich mehr Elektroautos verkauft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Zuruf von der AfD: Die keiner haben will!)
Sie wissen all das. Aber Sie wollen das nicht aussprechen, weil Ihre Politik im Kern eine ist, die diejenigen ansprechen soll, die Angst vor Veränderung haben. Sie spielen mit dieser Angst vor Veränderung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie schüren ganz bewusst Sorgen vor der Zukunft.
(Zuruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD])
Sie wollen, dass die Menschen denken, dass durch Veränderung alles schlechter wird. Auf Sorge und Angst ist Ihre politische Kampagne gebaut.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Habt ihr aus den letzten Wahlergebnissen irgendetwas gelernt? – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und wir? Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir stellen Ihrer Politik aus Sorge und Angstmacherei eine Politik aus Mut, Zuversicht und Hoffnung entgegen, eine Zuversicht, dass die Menschen in diesem Land und dass die Unternehmen in diesem Land klüger sind und stärker sind, als Sie dieses Land bezeichnen. Wir glauben an die Unternehmen, die die ganzen Technologien entwickelt haben. Wir können jetzt schon sicher sagen, dass es gelingen wird, 100 Prozent erneuerbare Energien in diesem Land zu erzeugen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir machen damit den Strom billiger, und wir machen damit die Versorgung sicherer, weil wir uns unabhängiger machen von Autokraten. Wir können jetzt schon den Menschen sagen, dass sie mit der Elektromobilität nicht nur leiser, sondern am Ende auch billiger unterwegs sind. Und wir können jetzt schon jedem sagen: Wenn du dich entscheidest, eine klimaneutrale Heizung einzubauen, dann machen wir sie dir nicht nur beim Kauf so billig, dass sie genauso günstig ist wie eine Gasheizung; sie wird sich am Ende auch im Betrieb wirtschaftlich für dich lohnen. – Das ist die gute Nachricht für die Menschen in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Alle Technologien sind erfunden. Mit all diesen Dingen kann man Geld verdienen. All diese Dinge sind von deutschen Unternehmen vorangebracht worden. Wir brauchen eine Politik, die die Stärke dieses Landes unterstützt und nicht all das schlechtredet, was die Menschen hier schon hingekriegt haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616738 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |